Steuern und Kinderbetreuungskosten

I.    Übersicht

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verlangt oftmals die entgeltliche Betreuung von Kindern. Dabei hat es zum 1. 1. 2012 wesentliche Änderungen gegeben, über die wir Sie in diesem Merkblatt u. a. informieren möchten.

Kinderbetreuungskosten können Sie dabei immer neben anderen steuerlichen Vergünstigungen geltend machen. Dies sind:

  • Kindergeld längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (seit 2010: jeweils 184 €/Monat für die ersten zwei Kinder, für das dritte Kind 190 €/Monat und ab dem vierten Kind 215 €/Monat) bzw. bei der jährlichen Einkommensteuerberechnung den steuerlich evtl. günstigeren Kinderfreibetrag (seit 2010: 2.184 € bzw. das Doppelte u. a. für gemeinsame Kinder bei zusammen veranlagten Ehegatten); zusätzlich besteht ein Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- bzw. Ausbildungsbedarf (seit 2010: 1.320 € bzw. das Doppelte u. a. für gemeinsame Kinder zusammen veranlagter Ehegatten).
  • Darüber hinaus kann ggf. ein Ausbildungsfreibetrag für diejenigen volljährigen Kinder geltend gemacht werden, die nicht mehr Zuhause wohnen (924 € im Jahr).
  • Ferner kommt daneben ggf. noch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Betracht (1.308 €/Jahr).

Hinweise: Kindergeld bzw. Kinderfreibeträge werden seit dem 1. 1. 2012 bei volljährigen Kindern unter 25 Jahren, die die erste Berufsausbildung bzw. das Erststudium absolvieren, gewährt. Die bisherige Einkünfte- und Bezügegrenze von 8.004 € ist entfallen. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind bei einer weiteren Ausbildung hingegen nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Ausnahmen: Unschädlich ist eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.

Seit dem Jahr 2012 kann der Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 924 € für volljährige Kinder in Schul- oder Berufs­ausbildung, die außerhalb des elterlichen Haushalts unter­gebracht sind, von den Eltern in der Steuererklärung ungekürzt angesetzt werden. Eigene Einkünfte (z. B. aus Kapitalvermögen) und Bezüge des Kindes (z. B. BAföG-Zuschuss) sind für den Ausbildungsfreibetrag irrelevant.

II.   Welche Kosten können Sie absetzen?

Sie können Aufwendungen absetzen, die Ihnen für die Betreuung Ihres Kindes entstehen. Gleichgültig ist dabei, ob Sie Ihr Kind in eine Betreuungseinrichtung (Kindertagesstätte/-garten und Ähnliches) bzw. zu einer Tagesmutter bringen, oder ob eine Betreuungsperson zu Ihnen nach Hause kommt. Abziehbar sind die Kosten für die entsprechenden betreuenden Dienstleistungen, nicht jedoch für Sachleistungen wie z. B. Essen, das Ihr Kind während der Betreuung erhält. Außerdem sind folgende Kosten nicht abziehbar:

  • für Unterricht (z. B. Schulgeld, Nachhilfe- oder Fremdsprachenunterricht);
  • für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten (z. B. Musikunterricht, Computerkurs);
  • für sportliche und andere Freizeitbeschäftigungen (z. B. Sportverein, Reit- oder Tanzunterricht).

Neben den reinen Dienstleistungskosten in Geld können auch Sachleistungen an die Betreuungsperson abziehbar sein, z. B. wenn Sie ihr Kost und Logis gewähren.

Hinweis: Bei der Anstellung eines Au-pairs ist zu unterscheiden:

  • Erledigt das Au-pair neben der Kinderbetreuung auch leichte Hausarbeiten und wird der Umfang der Kinderbetreuung nicht nachgewiesen, können pauschal 50 % der Gesamtaufwendungen als haushaltsnahe Dienstleistungen berücksichtigt werden.
  • Ergibt sich aus dem Vertrag mit dem Au-pair, dass dieses ausschließlich für die Kinder zuständig ist, sind alle Aufwendungen Kinderbetreuungskosten.
  • U. U. müssen die im Vertrag aufgeführten Stunden für Kinderbetreuung und haushaltsnahe Dienstleistungen verhältnismäßig auf die Kosten aufgeteilt werden. Zu den abziehbaren Kosten zählen Taschengeld und der Wert für Verpflegung und Unterkunft.

Kommt die Betreuungsperson zu Ihnen bzw. Ihrem Kind nach Hause und erstatten Sie ihr die Fahrtkosten, können Sie auch diese absetzen. Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende Abrechnung bzw. vertragliche Regelung. Ihre eigenen Fahrtkosten können Sie hingegen nicht geltend machen, z. B. für Ihre Fahrten zum Kindergarten oder zur Tagesmutter.

Besonders genau müssen Sie vorgehen, wenn Ihr Kind von Angehörigen, z. B. den Großeltern, entgeltlich betreut wird. Hier versagt das Finanzamt den Kostenabzug gerne wegen „fehlender Fremdüblichkeit“. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie einen schriftlichen Vertrag schließen und sich an das Vereinbarte dann auch tatsächlich halten. Insbesondere sollten Sie auf eine regelmäßige Überweisung der Betreuungskosten achten.

Hinweis: Barzahlungen sind seit 2007 steuerlich nicht mehr begünstigt! Seither müssen Sie die Überweisung auf das Konto des Betreuenden auf Nachfrage des Finanzamts nachweisen. Darüber hinaus benötigen Sie eine Rechnung. Bitte halten Sie daher die entsprechenden Kontoauszüge sowie Gebührenbescheide der Betreuungseinrichtung, Rechnungen, Quittungen und den Arbeitsvertrag bereit.

Eine Besonderheit gibt es ferner, wenn die Schule eine Nachmittagsbetreuung anbietet: Hier können Sie nur den Teil Ihres Elternbeitrags absetzen, der auf die Hausaufgabenbetreuung entfällt. Die Schule muss eine Bescheinigung ausstellen, in der Ihr Gesamtelternbeitrag auf die einzelnen Aufwandsarten aufgeschlüsselt ist.

III.  Welche Altersgrenzen gibt es?

Steuerlich begünstigt sind Ihre leiblichen Kinder bzw. Adoptiv- oder Pflegekinder (nicht hingegen Stief- oder Enkelkinder) unter 14 Jahren. Anderes gilt für behinderte Kinder: Hier können die Betreuungskosten für Kinder geltend gemacht werden, die wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten.

Beachten Sie bitte außerdem, dass die Förderung nur für Kinder gilt, die zu Ihrem Haushalt gehören. Im Zweifel geben die melderechtlichen Verhältnisse den Ausschlag. Eine vorübergehende auswärtige Unterbringung ist aber kein Problem. Für zeitweise im Ausland lebende Kinder gelten Besonderheiten.

IV. Gibt es einen Höchstbetrag?

Ja, dies ist der Fall: Zum einen können Sie Ihre Betreuungskosten nur in Höhe von zwei Dritteln ansetzen. Zum anderen gilt für diese zwei Drittel ein Jahreshöchstbetrag von 4.000 € pro Kind und Jahr. Damit wirken sich Aufwendungen über 6.000 € im Jahr steuerlich nicht aus. Da der Höchstbetrag ein Jahresbetrag ist, findet eine zeitanteilige Aufteilung auch dann nicht statt, wenn für das Kind nicht im gesamten Kalenderjahr Betreuungskosten angefallen sind. Wegen der Nichtabziehbarkeit eines Drittels der Aufwendungen sind verschiedene Klageverfahren sowie ein Revisionsverfahren anhängig.

Hinweis: Kinderbetreuungskosten können bei nicht verheirateten, dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern nur von demjenigen abgezogen werden, der sie getragen hat und zu dessen Haushalt das Kind gehört. Schließt daher z. B. von den zusammenlebenden, nicht miteinander verheirateten Eltern nur ein Elternteil den Vertrag mit der Kindertagesstätte ab und zahlt das Entgelt von seinem Konto, kann dieses weder vollständig noch anteilig dem anderen Elternteil als von ihm getragener Aufwand zugerechnet werden. Tragen die Eltern gemeinsam die Kosten, kann jeder Elternteil seine tatsächlichen Aufwendungen nur bis zur Höhe des hälftigen Abzugshöchstbetrags geltend machen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Eltern einvernehmlich eine abweichende Aufteilung des Abzugshöchstbetrags wählen und dies gegenüber dem Finanzamt anzeigen.

Anders bei verheirateten Eltern, die zusammen veranlagt werden: Hier kommt es nicht darauf an, welcher Elternteil die Betreuungskosten gezahlt hat oder ob sie von beiden getragen wurden.

V.  Wie werden die Kosten steuerlich berücksichtigt?

1.    Rechtslage 2009 bis 2011

Von 2009 bis Ende 2011 konnten erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten direkt von den Einnahmen abgezogen werden. Bei ausbildungs-, krankheits- oder behinderungsbedingten sowie bei Kleinkinderbetreuungskosten erfolgte der Abzug als Sonderausgaben.

Der Abzug der Kinderbetreuungskosten von steuerpflich­tigen Einnahmen (wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten) hatte dabei Vorrang. Voraussetzung war bis zum Veranlagungszeitraum 2011, dass die Kinderbetreuungskosten angefallen sind, weil die/der Alleinerziehende bzw. beide Elternteile erwerbstätig waren.

Es musste sich dabei um eine auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit (d. h. mindestens zehn Arbeitsstunden pro Woche) handeln, die den Einsatz der persönlichen Arbeitskraft erforderte. Daher gab es keinen Kostenabzug von Unterhaltszahlungen, Renten sowie von Einnahmen aus Vermögensverwaltung oder aus „Liebhaberei“ (wenn auf Dauer Verluste entstehen). Auch ein Studium war in diesem Sinne nicht begünstigt. Mini-Jobs, Aushilfsjobs und Teilzeitbeschäftigungen galten allerdings als Erwerbstätigkeit.

Besonderheiten gab es beim Abzug von Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten aus Arbeitnehmertätigkeit:

  • Wurde der Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäf­tigung nicht pauschal, sondern über die Lohnsteuerkarte versteuert, war der Werbungskostenabzug möglich.
  • Kam mangels höherer tatsächlicher Werbungskosten nur die Pauschale zum Abzug, konnten die Kinderbetreuungskosten zusätzlich geltend gemacht werden.
  • Seit 2010 konnten auch beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer u. U. erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie Werbungskosten abziehen.

Handelte es sich nicht um erwerbsbedingte Kosten, konnten in den folgenden Fällen wiederum zwei Drittel der Betreuungskosten, höchstens 4.000 €/Jahr, abgezogen werden – diesmal jedoch als Sonderausgaben:

  • Nach der „Kindergartenregelung“ erhielten alle unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern unabhängig von einer Berufstätigkeit den Abzug, wenn ihre Kinder zwischen drei und fünf Jahre alt waren.
  • Für jüngere Kinder oder Kinder zwischen sechs und 13 Jahren bzw. bestimmte behinderte Kinder gab es den Abzug nur unter höheren Auflagen, und zwar wenn
  • ein Elternteil alleinerziehend war und sich in Ausbildung befand, behindert oder dauerhaft krank (mindestens drei Monate) war;
  • bei zusammenlebenden Eltern entweder beide die eben erwähnten Kriterien erfüllten oder aber nur ein Elternteil und der andere erwerbstätig war.

Hinweis: Bei Steuerzahlern mit abweichendem Wirtschaftsjahr, die Kinderbetreuungskosten bis Ende 2011 wie Betriebsausgaben abziehen konnten, ist der zeitanteilige Höchstbetrag zu beachten. Ab 2012 gelten dann die neuen Voraussetzungen.

Beispiel: Ein Ehepaar betreibt gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb mit abweichendem Wirtschaftsjahr 1. 7. bis 30. 6. Die im Jahr 2011 anfallenden Kinderbetreuungskosten können beide wie Betriebsausgaben abziehen. Der auf die Zeit vom 1. 7.  bis zum 31. 12. entfallende Höchstbetrag beträgt zeitanteilig 2/3 der Aufwendungen, maximal also 2.000 €.

2.    Rechtslage ab 2012

Seit 1. 1. 2012 ist es ohne Bedeutung, weshalb Kinderbetreuungskosten anfallen. Unerheblich ist damit, ob beide Elternteile oder Alleinerziehende arbeiten, krank oder in der Ausbildung sind.

Es können daher Betreuungskosten für alle Kinder unter 14 Jahren berücksichtigt werden. Darüber hinaus können solche Aufwendungen für Kinder berücksichtigt werden, die wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Das gilt auch für Kinder, die wegen einer vor dem 1. 1. 2007 in der Zeit ab Vollendung des 25. Lebensjahres und vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Der Abzug erfolgt als Sonderausgaben; die Berücksichtigung wie Betriebsausgaben oder wie Werbungskosten entfällt.

Bei einer Einzelveranlagung von Ehegatten ab 2013 gilt Folgendes: Hier sind die Sonderausgaben demjenigen Elternteil zuzurechnen, der die Kosten wirtschaftlich getragen hat. Trifft dies auf beide Ehepartner zu, kann jeder maximal die Hälfte der Kosten geltend machen. Anderweitige Vereinbarungen müssen dem Finanzamt angezeigt werden.

Hinweis: Ist der vorrangige Abzug wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten (2006 bis 2011) bzw. als Sonderausgabe nicht möglich, weil die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind, bleibt noch eine Abzugsmöglichkeit, wenn für die Betreuung des Kindes eine Kinderfrau engagiert wurde, die nach Hause kommt: Hier kommt die Steuerermäßigung für eine haushaltsnahe Dienstleistung bzw. Beschäftigung in Betracht (vgl. hierzu unser gesondertes Mandanten-Merkblatt).

Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers in der Unternehmenskrise Insolvenz Umsatzsteuer

I.    Überblick

Der GmbH-Geschäftsführer ist gesetzlicher Vertreter der GmbH und vertritt diese gegenüber den Gesellschaftern und Dritten (z. B. Kunden, Lieferanten oder Finanzamt und Sozialversicherungsträgern) gerichtlich und außergerichtlich. Dabei muss er die Geschäfte der Gesellschaft immer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns ausführen. Dies gilt vor allem in der Unternehmenskrise. Aber auch bei den ersten Anzeichen für eine mögliche Krise, wie Liquiditätsengpässen, muss der Geschäftsführer sofort reagieren.

Verletzt er seine Pflichten, riskiert er, von der Gesellschaft und den Gesellschaftern für entstandene Schäden in Regress genommen zu werden. Aber auch Dritte, wie Sozialversicherungsträger und das Finanzamt, können den Geschäftsführer in die persönliche Haftung nehmen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte zeigt, dass der GmbH-Geschäftsführer seine Pflichten im Zusammenhang mit einer Krise bzw. Insolvenz nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Auch aus dem GmbH-Gesetz und der Insolvenzordnung ergeben sich zahlreiche Pflichten des Geschäftsführers.

Einer Insolvenz geht regelmäßig eine Krise der GmbH voraus. Im Einzelfall kann schon der unerwartete Ausfall einer hohen Forderung das Ende der GmbH bedeuten. Die Krise bezeichnet den Zeitraum vor einem Insolvenzverfahren, wenn z. B. Zahlungsunfähigkeit droht. Typische Anzeichen für eine Krise sind u. a.:

  • Es werden vermehrt Lieferantenkredite in Anspruch genommen.
  • Kontokorrente sind umfassend „ausgeschöpft“.
  • Mahnungen von Gläubigern häufen sich.
  • Ein Großkunde fällt wegen eigener Insolvenz weg (Forderungsausfall).
  • Kunden wechseln zur Konkurrenz.
  • Eintritt neuer Gesellschafter, Änderung des Firmensitzes, Rückforderung von Gesellschafterdarlehen;
  • Änderung der Produktionspalette;
  • Kurzarbeit, Mitarbeiter kündigen.

Die rechtliche Krise beginnt bei der GmbH mit der formellen Unterkapitalisierung und/oder bei mangelnder Kreditwürdigkeit. In diesen Fällen erhöht sich das zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiko des GmbH-Geschäftsführers enorm.

Jeder GmbH-Geschäftsführer muss folglich wissen, welchen Haftungsrisiken er persönlich ausgesetzt ist, und welche Möglichkeiten es gibt, die Insolvenz und damit die eigene Inanspruchnahme von Gläubigern usw. zu vermeiden.

Die Ausführungen in diesem Mandanten-Merkblatt betreffen sowohl den nicht an der GmbH beteiligten Geschäftsführer (sog. Fremdgeschäftsführer) als auch den Gesellschafter einer GmbH, der Geschäftsführer innerhalb dieser GmbH ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer). Ferner betreffen die nachfolgenden Regeln auch Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), d. h. einer GmbH, die mit weniger als 25.000 € Stammkapital gegründet wird.

II.   Vorbeugende Maßnahmen

1.    Risikomanagement der GmbH

Bei der Führung der Geschäfte ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden (= objektiver Maßstab). Fehlende Kenntnisse des Geschäftsführers haben dabei keinen Einfluss auf den Pflichtenmaßstab. Geschäftsführer sind – wie es für Vorstände im Aktiengesetz vorgeschrieben ist – verpflichtet, ein Risikomanagement in ihrem Unternehmen zu installieren. Konkret sollen sie ein Controlling aufbauen, mit dessen Hilfe sie sich jederzeit über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der GmbH informieren können. Das Ziel: Sämtliche Risiken für die GmbH – insbesondere die Liquiditäts- und Umsatzentwicklung – sollen frühzeitig erkannt und dokumentiert werden.

Das Risikomanagement-System umfasst alle betrieblichen Bereiche, von denen eine Gefahr für den Ablauf oder Fortbestand der Gesellschaft ausgeht. Mit erfasst werden dabei auch die Bereiche, deren Risiko bereits über Versicherungen abgedeckt ist (Diebstahl, Produktionsausfall, Krankheit/Schwangerschaft usw.). Der Geschäftsführer trägt die Verantwortung dafür, dass der Versicherungsumfang angemessen ist und den Bestand sowie Fortgang des Unternehmens sichert.

Das Risikomanagement umfasst u. a. die folgenden Maßnahmen:

  • Aufstellung eines individuellen Katalogs offener und versteckter Risiken im Unternehmen (dabei müssen alle Bereiche von der Produktion bis zur Verwaltung, Einkauf, Vertrieb „gecheckt“ werden).
  • Verantwortlichkeiten müssen festgelegt und deren Überwachung sichergestellt werden.
  • Ein internes Berichtswesen ist einzuführen und von allen Beteiligten einzuhalten (beispielsweise muss der Einkauf den Vertrieb über den Lieferverzug des Zulieferers informieren).
  • Verbesserungsmöglichkeiten müssen regelmäßig geprüft und bekannt gemacht werden.

Hinweis: Die Einführung eines Risikomanagement-Systems verringert nicht nur die Haftungsrisiken des Geschäftsführers, sondern fördert auch die Finanzierung der GmbH. Im Hinblick auf die Kreditvergabebedingungen der Banken kann der Aufbau eines Risikomanagement-Systems zum dauerhaften Erfolg der GmbH beitragen. Bei einem „Rating” kommt neben der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse auch der Qualität der Geschäftsführung sowie der Organisation der GmbH ein hoher Stellenwert zu.

2.    Ordentliche Buchführung und zeitnaher Jahresabschluss

Geschäftsführer müssen intern dafür sorgen, dass sie jederzeit die erforderliche Übersicht über die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der GmbH haben. Eine der wichtigsten Aufgaben des Geschäftsführers ist dabei die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung.

Hinweis: Die herkömmliche „Papierbilanz“ wird frühestens ab 2013 durch eine elektronische Bilanz (sog. E-Bilanz) abgelöst. Unternehmer sind dann verpflichtet, ihre Gewinnermittlung elektronisch beim Finanzamt einzureichen.

Auf der Basis einer zeitnahen Finanzbuchhaltung erhält der Geschäftsführer eine aktuelle aussagekräftige Liste der offenen Posten, die ihm einen umfassenden Überblick über unvollständige oder offenstehende Zahlungen verschafft. Elementare Aufgaben der Debitorenbuchhaltung sind dabei die korrekte und zeitnahe Rechnungsstellung, die Datenhaltung der Kunden, wie z. B. Adressen, Bankverbindung wegen Lastschrift-Einzugsermächtigung, und die Kontrolle und Verwaltung der offenen Forderungen (Überwachung der Fälligkeiten). Sie muss Informationen über Zahlungsverhalten und Änderungen in der Geschäftsführung der Kunden an den eigenen Geschäftsführer weiterleiten, damit dieser risikogerechte Vereinbarungen treffen kann.

Der Jahresabschluss (mit Lagebericht) ist vom Geschäftsführer grundsätzlich bis Ende März des Geschäftsjahres für das vorangegangene Jahr aufzustellen. Kleine Kapitalgesellschaften dürfen den Jahresabschluss (ohne Lagebericht) später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf entspricht (spätestens in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres). Fristverletzungen haben im Insolvenzfall strafrechtliche Folgen.

Hinweis: Eine frühzeitigere Erstellung ist aber sinnvoll, weil sie u. a. den Status der Liquidität aufzeigt, welche Forderungen bereits ausgebucht werden mussten und welche wertberichtigt sind. Die Gewinnermittlung im Vergleich zum Vorjahr zeigt, in welchem Bereich es u. U. kurzfristige Umsatzsteigerungsmöglichkeiten gibt. Rückgänge von Bestellungen können bzw. müssen hinterfragt werden.

Das Oberlandesgericht Schleswig hat 2010 entschieden, dass sich ein Geschäftsführer nicht mit schuldbefreiender Wirkung darauf berufen kann, dass er nicht die erforderlichen Kenntnisse für das Geschäftsführeramt besessen hat. Er muss sich bereits bei Übernahme des Geschäftsführeramts zunächst selbst die notwendigen steuerlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen und entsprechende Informationen einholen.

3.    Kapitalerhaltung

Häufig wird bei der GmbH-Gründung zunächst nicht der volle Geschäftsanteil eingezahlt. Nach der Satzung ist dies meist erst nach einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss nötig. Der Geschäftsführer muss dann aber ummittelbar nach Beschlussfassung die ausstehenden Stammeinlagen einfordern.

Der Grundsatz des Gläubigerschutzes verlangt, dass das zur Aufrechterhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Etwas anderes gilt nur, wenn die Auszahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch zugunsten der GmbH gedeckt ist (z. B. Darlehen an Gesellschafter gegen selbstschuldnerische Bankbürgschaft). Ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsverbot liegt z. B. auch vor, wenn an den Gesellschafter-Geschäftsführer ein überhöhtes Gehalt (verdeckte Gewinnausschüttung) gezahlt wird. Dem Geschäftsführer selbst darf die GmbH unter keinen Umständen einen Kredit gewähren, soweit das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen betroffen ist. Geschäftsführer dürfen an die Gesellschafter zudem keine Zahlungen leisten, wenn und soweit dadurch eine bilanzielle Unterdeckung oder gar eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft wird.

Der Geschäftsführer muss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung spätestens dann einberufen, wenn 50 % des Stammkapitals verbraucht sind (Ausnahme: Einpersonen-GmbH). Dieser Umstand liegt vor, wenn das Vermögen einer GmbH (Aktiva abzüglich Passiva) nur noch die Hälfte des gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Stammkapitals deckt. Ob der Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals vorliegt, bestimmt sich nach den für die Jahresbilanz geltenden handelsrechtlichen Regeln. Der Geschäftsführer darf aber nicht bis zur Vorlage einer Bilanz warten, sondern muss bereits tätig werden, wenn Anzeichen einer kritischen Entwicklung erkennbar sind.

Hinweis: Ein Verzicht der Gesellschafter auf eine etwaige Information ändert nichts an der Anzeigepflicht des Geschäftsführers. Eine nicht durch einen Geschäftsführer erlangte Kenntnis der Gesellschafter befreit den Geschäftsführer ebenfalls nicht von seiner Verpflichtung.

Häufig wird die Verletzung der Verlustanzeigepflicht erst in der Insolvenz entdeckt. Der Insolvenzrichter kann die Insolvenzakte der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorlegen. Zumindest fahrlässiges Handeln wird ein Strafrichter dem Geschäftsführer nach Erhebung der Anklage, z. B. aufgrund der GmbH-Bilanzen, nachweisen können. Damit droht im besten Fall eine Geldstrafe und im schlechtesten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Ist das gesamte Eigenkapital (Stammkapital und Rücklagen) der GmbH durch Verluste aufgebraucht und ergibt sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten, ist dieser Betrag am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert unter der Bezeichnung „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ auszuweisen. Steht die bilanzielle Überschuldung, d. h. ein nicht durch Eigenkapital gedeckter gedeckter Fehlbetrag fest, muss der Geschäftsführer überprüfen, ob auch eine rechtliche Überschuldung vorliegt (vgl. Kap. III.).

4.    Vermögen und Liquidität

Geschäftsführer müssen sich jederzeit über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der GmbH informieren (können). Risiken für die GmbH sollen frühzeitig erkannt und dokumentiert werden. Indikatoren hierfür können die Liquiditäts- und Umsatzentwicklung sein. Zu diesem Zweck muss der Geschäftsführer ein System einrichten, das es ihm ermöglicht, alle für die wirtschaftliche Lage der GmbH erforderlichen Daten zu erhalten und auszuwerten. Das System muss regelmäßig auf seine Effizienz überprüft und ggf. angepasst werden. Die Liquidität der GmbH ergibt sich aus dem Kassenbestand, Kontoguthaben, Kreditlinien, Mitteln und Vermögensgegenständen, die kurzfristig in Liquidität gewandelt werden können.

Folgende Pflichten obliegen dem Geschäftsführer u. a.:

  • laufende Überwachung der Kreditgeschäfte;
  • Markt- und Konkurrenzbeobachtung;
  • Beobachtung des Verhaltens von Kunden und Lieferanten;
  • Bonitätsprüfung von neuen Kunden (je höher der Forderungsausfall sein kann, desto wichtiger und umfassender müssen die Informationen sein);
  • Berechnung und Überwachung des Bedarfs an liquiden Mitteln und Liquiditätsplanung.

Die richtige Vertragsgestaltung mit Kunden trägt dazu bei, dass das Risiko des Forderungsausfalls bei der GmbH minimiert wird. Dazu gehören das Aushandeln der Zahlungskonditionen (Fälligkeit, Vorkasse, Abschlagszahlungen) und die Vereinbarung von Sicherheiten (z. B. Eigentumsvorbehalt, Zahlungsbürgschaft, Bauhandwerkersicherungshypothek, Bauhandwerkersicherung).

Das Zahlungsverhalten von privaten und gewerblichen Kunden, bedingt durch deren eigene bestehende Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit, ist meist ein wesentlicher Grund für finanzielle Schwierigkeiten einer GmbH. Ein professionelles Forderungsmanagement ist daher für jede GmbH zwingend. Mit der Reduzierung von Forderungsausfällen steigt die eigene Liquidität, die z. B. für Investitionen dringend benötigt wird. Für Banken ist ein funktionierendes Forderungsmanagement immer ein wichtiges Rating-Kriterium.

III.  Durchführung einer Insolvenzprüfung

Der Geschäftsführer muss, auch wenn die Gesellschafter dies u. U. nicht wollen, ohne schuldhaftes Zögern (= unverzüglich), spätestens jedoch drei Wochen nach Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Da die Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren nur eine quotale Befriedigung erhalten, soll durch die Pflicht zur frühen Antragstellung eine möglichst hohe Quote erreicht werden. Wird der Antrag nicht rechtzeitig gestellt, vermindert sich das Vermögen der GmbH zwangsläufig. Die Gläubiger erhalten dann eine niedrigere Quote.

Der Geschäftsführer muss dabei wissen, dass häufig auch der Gläubiger einen Antrag auf Insolvenz stellt. Dies ist zulässig, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann. Ein rechtliches Interesse hat der Gläubiger immer, wenn er keine andere zumutbare Möglichkeit mehr hat, seine Forderung zu erhalten. Die Forderungshöhe spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Mit dem Insolvenzantrag darf allerdings nicht allein der Zweck verfolgt werden, die GmbH unter Druck zu setzen. Zudem kann auch das Finanzamt jederzeit ohne Vorankündigung wegen rückständiger Steuern einen Insolvenzantrag stellen.

Hinweis: Der Geschäftsführer muss bei Insolvenzreife der GmbH selbst dann einen Insolvenzantrag stellen, wenn die (Mit-)Gesellschafter ihm dies per Beschluss untersagen. Kommt ein Geschäftsführer der gesetzlichen Pflicht (auch fahrlässig) nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig nach, riskiert er eine Geld- oder sogar eine Freiheitsstrafe. Dies gilt für jeden Geschäftsführer, auch wenn mehrere bestellt sind und auch dann, wenn z. B. ein Gläubiger seinerseits bereits einen Insolvenzantrag gestellt hat.

1.    Überschuldung als Insolvenzgrund

Überschuldet ist die GmbH, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde von dieser Regel – zunächst befristet bis zum 31. 12. 2013 – eine Ausnahme geschaffen: Ist die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (positive Fortführungsprognose), muss, auch wenn die Schulden das Vermögen des Unternehmens übersteigen, zunächst kein Insolvenzantrag gestellt werden (= modifizierter zweistufiger Überschuldungsbegriff). Nur bei negativer Überschuldungsbilanz und bei Vorliegen einer negativen Fortführungsprognose (kumulativ) liegt eine rechtliche Überschuldung vor, die zum Insolvenzantrag verpflichtet. Da Banken bei Sanierungsgesprächen meist nicht nur die positive Fortführungsprognose, sondern auch eine Überschuldungsbilanz fordern, empfiehlt es sich, diese zunächst aufzustellen. Die Überschuldungsbilanz verursacht keine wesentlichen Kosten. Zudem ergibt sich u. U. aus ihr schon, dass keine rechnerische Überschuldung vorliegt.

Die Überschuldungsprüfung erfolgt insgesamt in zwei Schritten:

  • Überschuldungsbilanz: Der Geschäftsführer muss eine Sonderbilanz (= Überschuldungsbilanz als Stichtagsbilanz) aufstellen (lassen), in der die Vermögenswerte und Schulden zu ihren Veräußerungswerten (Liquidation wird unterstellt) unter Aufdeckung der stillen Reserven angesetzt werden. Übersteigen danach die Schulden die Vermögenswerte („negatives Reinvermögen“), ist das Unternehmen rechnerisch überschuldet und der Geschäftsführer muss eine Fortführungsprognose erstellen lassen.

Hinweis: Ein Gesellschafterdarlehen muss in der Überschuldungsbilanz nicht als Verbindlichkeit angesetzt werden, wenn der Gesellschafter der GmbH gegenüber erklärt, dass er mit seiner Forderung hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt (vgl. Kap. IV. 2).

  • Fortführungsprognose: Als Nachweis für eine positive Fortführungsprognose ist ein tragfähiger, schriftlicher Finanz- und Ertragsplan zwingend.Die Fortführungsprognose erfordert u. a. ein Gesamturteil über den möglichen weiteren wirtschaftlichen Unternehmensverlauf auf Basis eines Unternehmenskonzepts, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht. Die Prognosewahrscheinlichkeit muss über 50 % liegen. Ein Insolvenzexperte prüft u. a.
  1. Hinweis: An eine positive Fortführungsprognose stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen, damit die persönliche Haftung des Geschäftsführers vermieden wird. Ohne Expertenrat kann eine Fortführungsprognose nach dem zwingenden Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer nicht erstellt werden. Beispielhaft hierzu ein Fall vor dem Bundesgerichtshof: Ein Geschäftsführer holte hier den Rat eines Wirtschaftsprüfers ein, um zu klären, ob die Insolvenzreife der GmbH besteht. Er informierte ihn über alle für die Beurteilung erheblichen Umstände. Nach eigener Plausibilitätskontrolle folgte er dem Rat und sah davon ab, einen Insolvenzantrag zu stellen. Darin sahen die Richter keine Verletzung der Insolvenzantragspflicht.
  • die Auftragslage der GmbH,
  • ob die Finanzkraft und die voraussichtliche Ergebnisentwicklung für eine Fortführung von mindestens zwei Jahren ausreicht, und
  • ob es ein schlüssiges Unternehmenskonzept gibt.

Hinweise: Es ist bislang in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt, ob nach den Regeln zur modifizierten Überschulungsprüfung aufgrund des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes eine positive Fortführungsprognose schon dann vorliegt, wenn die GmbH innerhalb des Prognosezeitraums voraussichtlich ihre fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht bedienen kann – also nicht zahlungsunfähig werden wird – oder ob weitere Anforderungen erfüllt sein müssen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob innerhalb des Prognosezeitraums die Ertragsfähigkeit der Gesellschaft wiederhergestellt sein muss. Die Fortführungsprognose ist danach nur positiv, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass die Gesellschaft mittelfristig Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können.

Das Amtsgericht Hamburg hat im Rahmen eines Insolvenzeröffnungsverfahrens Ende 2011 entschieden, dass für eine Fortführungsprognose eine Ertragsfähigkeitsprognose verlangt werden muss. Im Streitfall lag mangels künftig erzielbarer Einnahmenüberschüsse keine Ertragsfähigkeit vor. Damit war auch die Fortführungsprognose negativ.

Hinweis: Der Alleingesellschafter einer GmbH, der zugleich alleiniger Geschäftsführer ist und das Vermögen (inkl. Schulden) der GmbH im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme übernimmt, kann damit wertvolle Zeit für einen beabsichtigten Verkauf oder die Sanierung gewinnen. Denn den Einzelkaufmann trifft – im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer – bei Überschuldung keine Insolvenzantragspflicht; er macht sich also insoweit nicht strafbar. Voraussetzung ist aber, dass der GmbH-Geschäftsführer vor der Verschmelzung eine evtl. bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt hat.

2.    Zahlungsunfähigkeit

Die GmbH ist zahlungsunfähig, wenn sie fällige Zahlungspflichten nicht mehr erfüllen kann. Dies ist u. a. der Fall, wenn die GmbH ihre Zahlungen eingestellt hat. Wann Forderungen fällig werden, ergibt sich z. B. aus den Eingangsrechnungen oder steuerrechtlichen Vorschriften.

Beispiel: Die Rechnung des Lieferanten lautet: „Der Rechnungsbetrag über 1.190 € ist zahlbar bis zum 17. 5. 2012“. Die Umsatzsteuer ist jeweils am 10. eines Monats fällig.

Fällige Forderungen bleiben bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nur außer Betracht, falls sie tatsächlich gestundet sind. Hingegen ist eine Forderung stets zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger sie (z. B. durch eine Kündigung des Darlehens) fällig stellt. Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, darf eine Forderung, die früher ernsthaft eingefordert war, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die GmbH inzwischen ein Stillhalteabkommen mit dem Gläubiger geschlossen hat (vgl. Kap. IV. 3). Die schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist ein deutliches Anzeichen für eine Zahlungseinstellung.

Eine bloße Zahlungsstockung liegt vor, wenn sich die GmbH innerhalb der folgenden drei Wochen die erforderlichen Zahlungsmittel beschaffen kann. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der GmbH weniger als 10 % ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, kann sie regelmäßig von einer Zahlungsfähigkeit ausgehen. Dies gilt aber nicht, wenn bereits absehbar ist, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke der GmbH 10 % oder mehr, ist regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Nur wenn die GmbH – ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – erwarten kann, dass sie die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigen wird und den Gläubigern ein Zuwarten zugemutet werden kann, wird die Zahlungsunfähigkeit noch nicht vorliegen.

Geschäftsführer müssen sich bei einem finanziellen Engpass mindestens wöchentlich über den Liquiditätsstatus ihrer GmbH informieren. Ist absehbar, dass es sich nicht nur um eine Zahlungsstockung handelt, sondern dass die Zahlungsunfähigkeit droht, muss umgehend der Insolvenzantrag gestellt werden.

3.    Drohende Zahlungsunfähigkeit

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die GmbH damit rechnen muss, dass sie in nächster Zeit voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Sie wird mittels eines Liquiditätsplans festgestellt. Dazu werden alle Zahlungseingänge und Forderungen erfasst, die künftig im relevanten Zeitraum anfallen.

Hinweise: Die drohende Zahlungsunfähigkeit kann als Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren nur von der GmbH selbst, nicht aber von deren Gläubigern geltend gemacht werden. Die GmbH soll somit die Möglichkeit haben, die Insolvenz bereits dann zu beantragen, wenn die Krise erkennbar ist, um z. B. eine Sanierung in der Insolvenz zu ermöglichen.

Seit dem 1. 3. 2012 gelten verbesserte Möglichkeiten für Schuldner: Ein Schuldner hat bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten in einer Art „Schutzschirmverfahren“ unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann.

IV. Maßnahmen des Geschäftsführers in der Krise

Ist die Hälfte des Stammkapitals verloren, muss der Geschäftsführer der GmbH unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einberufen (vgl. Kap. II. 3). Sollte er sein Amt in der Krise niederlegen wollen, würde dies nichts an seiner persönlichen Haftung ändern.

1.    Masseerhalt/Zahlungsverbot

Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfen innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist keine Leistungen oder Lieferungen aus dem Gesellschaftsvermögen mehr erbracht werden, die die Masse schmälern und die Insolvenzquote der Gläubiger in einem späteren Insolvenzverfahren verringern würden. Stellt der Geschäftsführer daher fest, dass die Zahlungsunfähigkeit droht, muss er zudem (weitere) Ausgaben auf ein absolutes Minimum beschränken und den Gläubigern eine Ratenzahlung anbieten bzw. diese um Stundung bitten.

Der Bundesgerichtshof hat Anfang 2012 entschieden, dass der Insolvenzverwalter die Prämien zur Direktversicherung des Geschäftsführers, die die GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit geleistet hat, von der Versicherung zur Masse fordern kann. Zulässig sind hingegen die Zahlungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. hierzu Kap. V. 5. und 6.). Des Weiteren darf der Geschäftsführer auch solche Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft erbringen, die erforderlich sind, um

  • einen sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern und hierdurch aussichtsreiche Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen sowie
  • größere Schäden z. B. durch eine sofortige Betriebsstilllegung zu verhindern.

Hinweis: Sein Gehalt muss der Geschäftsführer bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln zugunsten der Gesellschaft reduzieren. Grundlegend hierfür sei das Aktiengesetz, wonach bei einer wesentlichen Verschlechterung der Verhältnisse der Gesellschaft eine angemessene Reduzierung der Vorstandsbezüge erfolgen kann. Diese Regelung sei im Einzelfall entsprechend für Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar. Der Insolvenzverwalter wird unter Bezugnahme auf dieses Urteil anteilig aus seiner Sicht zu viel gezahltes Geschäftsführergehalt zugunsten der Insolvenzmasse vom Geschäftsführer einfordern. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dieses Rückforderungsrecht dagegen Ende 2011 bei einer marktüblichen Vergütung aufgrund eines Anstellungsvertrags verneint.

2.    Maßnahmen zur Beseitigung der rechtlichen Überschuldung

Beim Rangrücktritt vereinbaren Gläubiger und Schuldner, dass die Forderung des Gläubigers im Rang hinter allen anderen Forderungen gegen die Gesellschaft (ggf. begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum) zurücktritt. Der Bestand der Forderung bleibt unberührt; der im Rang zurücktretende Gläubiger kann in der Insolvenz jedoch nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger auftreten. Daraus folgt, dass ein Rangrücktritt allein keine Sanierungsmaßnahme ist; denn der Rückzahlungszeitpunkt wird lediglich verschoben. Die tatsächliche Überschuldung wird nicht beseitigt, weil die vom Rangrücktritt erfasste Forderung nach wie vor als Passivposten in der Handels- und Steuerbilanz aufgenommen werden muss. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen (Verbindlichkeiten der GmbH) sind nach dem Gesetz nicht im Überschuldungsstatus zu passivieren, soweit ein wirksamer Rangrücktritt hinter die nachrangigen Insolvenzgläubiger vereinbart wurde.

Hinweis: Wird ein Gesellschafterdarlehen trotz eines Rangrücktritts zurückgezahlt, haftet der Geschäftsführer nicht persönlich. Die Rückzahlung kann über eine Insolvenzanfechtung eingefordert werden, und zwar nur, soweit Rückzahlungen innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem erfolgt sind. Wurden dem Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren vor Insolvenzantrag-stellung (oder danach) Sicherheiten gewährt, sind diese ebenfalls anfechtbar. Eigenständigen Haftungsgefahren setzt sich der Geschäftsführer bei anfechtbaren Rückzahlungen innerhalb der Jahresfrist aber nicht aus.

Spricht ein Gläubiger dagegen einen Forderungsverzicht aus, entfällt die Verbindlichkeit in der Bilanz des Unternehmens. Zudem entfällt ein Zinsanspruch des Gläubigers, wodurch eine Liquiditätsentlastung eintritt. Rechtlich ist für den Forderungsverzicht ein Erlassvertrag erforderlich.

Die ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen bei der bestehenden GmbH ist mit der Aufbringung des Stammkapitals bei einer GmbH in Gründung vergleichbar. Bei der Kapitalerhöhung werden dem Vermögen der GmbH von außen neue Eigenmittel durch Erhöhung des Stammkapitals zugeführt und damit der Nennbetrag bestehender Geschäftsanteile erhöht. Gesellschafter müssen alle Vorschriften, die für die Aufbringung des Gründungskapitals gelten, auch bei der Kapitalerhöhung beachten.

Hinweis: Der Beschluss über eine Kapitalerhöhung ändert immer auch den Gesellschaftsvertrag. Die geänderte Satzung muss notariell beurkundet und die Änderung in das Handelsregister eintragen werden.

3.    Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit

Die Fälligkeit einer Forderung kann nur durch Stundungsvereinbarung (= zivilrechtlicher Vertrag mit dem Gläubiger) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Bei entsprechender Zusage seitens der Gläubiger wird zudem wichtige Zeit gewonnen, um weitere Maßnahmen zur Liquiditätsgewinnung zu prüfen und zu ergreifen (z. B. Abverkauf von Lagerbeständen, „Sale and lease back“).

Des Weiteren können Forderungen einzeln an die Gläubiger zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten (Aufrechnung) oder zur Sicherheit abgetreten werden. Vorsicht ist bei zweifelhaften Forderungen geboten. Selbstverständlich müssen Eigentumsvorbehalte von Lieferanten und ggf. das Vorliegen einer Globalzession zugunsten der Bank beachtet werden. Zur Verstärkung der Liquidität können die Forderungsbestände u. U. mit Abschlägen verkauft bzw. zwischenfinanziert werden.

In der Krise sind Mahn- und Klageverfahren zu geld- und zeitaufwendig. Hier sollte daher versucht werden, die eigenen Schuldner mit großzügigen Abschlägen zur sofortigen Zahlung zu bewegen.

Die Kreditaufnahme eignet sich nur bei einer positiven Zukunftsprognose der GmbH. Als Kreditgeber kommen neben Kreditinstituten und verwandten Branchen, Arbeitnehmer und Lieferanten in Frage (z. B. durch Gehalts- oder Rechnungsstundung). Gesellschafter, die der GmbH in der Krise Kredite gewähren, müssen davon ausgehen, dass diese bei Scheitern der Sanierung verloren sind.

Beispielsweise in Maschinen gebundenes Eigenkapital kann mithilfe des „Sale and lease back“ schnell aktiviert werden. Die GmbH verkauft dabei ihr gebrauchtes, bewegliches Anlagevermögen und erhält dafür sofort den Kaufpreis ausgezahlt. Direkt im Anschluss werden die Maschinen oder Anlagen zurückgeleast.

Ein Moratorium mit der Bank ist ein Stillhalteabkommen auf Zeit und muss ausdrücklich vereinbart werden. Lässt die Gläubigerbank einfach zu, dass die Kreditlinie überzogen wird, ohne dies zu beanstanden, beseitigt dies die Zahlungsunfähigkeit nicht. Dasselbe gilt, wenn Kredite stillschweigend weiter gewährt werden.

In der Krisensituation kann der Gesellschafter-Geschäftsführer ferner verpflichtet sein, vorübergehend ganz oder teilweise auf sein Gehalt zu verzichten, um die GmbH zu retten. Dies ist der Fall, wenn fällige Rechnungen ansonsten nicht beglichen werden können.

Hinweis: Damit das Finanzamt im „Gehaltsverzicht auf Zeit“ keine verdeckte Gewinnausschüttung sieht, sollte zuvor der Anstellungsvertrag entsprechend geändert werden. Außerdem muss die Gesellschafterversammlung der Gehaltsreduzierung zustimmen.

4.    Prüfung der Sanierungsfähigkeit

Die Drei-Wochen-Frist (vgl. Kap. III.) ist für Sanierungsmaßnahmen zu nutzen. Sind sie erfolgreich, entfällt dadurch der Insolvenzgrund und damit die Antragspflicht. Allerdings ist der Insolvenzantrag vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist zu stellen, wenn bereits vorher erkennbar ist, dass eine Sanierung innerhalb dieses Zeitrahmens unmöglich ist und die Zahlungsverpflichtungen auch mittelfristig nicht getilgt werden können. Der Geschäftsführer hat zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum; jedoch kommt es auf die Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Der Geschäftsführer sollte sich daher immer fachkundig beraten lassen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg rechtfertigen Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen u. U. eine maßvolle Verlängerung der Drei-Wochen-Frist; letztendlich wird nun der Bundesgerichtshof darüber entscheiden.

V.  Persönliche Haftungsrisiken des Geschäftsführers

Der Geschäftsführer hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu erfüllen. Er muss im Rahmen der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und der für die Gesellschaft verbindlichen Beschlüsse der Gesellschaftsorgane zum Vorteil der Gesellschaft handeln und Schaden abwenden. Missachtet der Geschäftsführer diese Anforderungen und entsteht der GmbH dadurch ein Schaden, haftet der Geschäftsführer persönlich; mehrere Geschäftsführer haften solidarisch.

Verzögert sich der Insolvenzantrag über die gesetzliche Frist hinaus, stellt dies eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar. In der Krise handelt der Geschäftsführer zudem bereits dann pflichtwidrig, wenn er nicht in der Lage ist, selbst die Insolvenzreife zutreffend zu beurteilen und es unterlässt, sich fachkundig beraten zu lassen.

Daneben macht der Geschäftsführer sich schadensersatzpflichtig, wenn er der GmbH bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben vorwerfbar einen Schaden zufügt. Eine solche Schadensersatzhaftung kann in der Krise vor allem im Zusammenhang mit der Verwirklichung von Straftatbeständen wie z. B. Untreue oder Betrug zum Tragen kommen.

Hinweis: Gegen bestimmte Haftungsrisiken kann sich der Geschäftsführer versichern (Vermögensschaden-Haft­pflichtversicherung, sog. D&O-Versicherung). Versichert werden Vermögensschäden, die auf schuldhaften Managementfehlern beruhen. Da die Versicherungsprämien hoch sind und die Abgrenzung von versicherten zu von der Versicherung ausgeschlossenen Haftungstatbeständen mitunter schwierig ist, sollten Umfang und Nutzen einer solchen Versicherung vor Abschluss genau geprüft werden.

1.    Forderungen zugunsten der Insolvenzmasse

Der Insolvenzverwalter muss zugunsten aller Gläubiger immer prüfen, ob der Geschäftsführer in der Vergangenheit seine vielfältigen Pflichten erfüllt hat. Ist dies nicht der Fall, ist sein Ziel, Schadensersatz vom Geschäftsführer zu erhalten, um damit Schulden der GmbH begleichen zu können. Forderungen der GmbH gegen den eigenen Geschäftsführer gehören zur Insolvenzmasse.

Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einen Schadensersatzanspruch wegen Überschuldung geltend, genügt es, die rechnerische Überschuldung der GmbH anhand von Liquidationswerten darzulegen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose trägt der Geschäftsführer (Kap. III. 1.). Zahlt der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuern bzw. rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, haftet er laut Bundesgerichtshof nicht gegenüber der Insolvenzmasse.

Hinweise: Die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft kann ausgeschlossen sein, wenn er aufgrund von wirksamen Anordnungen der Gesellschafterversammlung gehandelt hat. An Weisungen ist er grundsätzlich gesetzlich gebunden, und die Befolgung einer gesetzlichen Pflicht kann keine Schadensersatzansprüche begründen. Von der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht darf sich der Geschäftsführer nicht durch Weisungen der Gesellschafter abhalten lassen. Mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung, den Geschäftsführer zu entlasten, billigt sie zudem seine Geschäftsführung. Dann kann die GmbH (in der Insolvenz vertreten durch den Insolvenzverwalter) später keine Ansprüche gegen den Geschäftsführer geltend machen, soweit sich diese auf Vorfälle gründen, die bei Beschlussfassung bereits bekannt waren.

2.    Forderungen der Banken

Banken werden vom Geschäftsführer Zinsen bzw. Tilgungszahlungen für Kredite der GmbH verlangen, wenn dieser als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Darlehensvergabe an die GmbH persönlich gebürgt hat.

3.    Ansprüche der Gläubiger der GmbH

Gläubiger, die offene Forderungen gegen die GmbH haben, können Einblick in die Insolvenzakte bei Gericht nehmen und prüfen, ob der Geschäftsführer den Insolvenzantrag zu spät gestellt hat. Dann werden sie diese Forderungen vom Geschäftsführer fordern. Sind die Ansprüche vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden, können diese Altgläubiger den Ersatz des Quotenschadens verlangen. Verglichen wird dabei, was der Gläubiger bekommen hätte, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.

Beispiel: Ein Lieferant hat eine Forderung gegen die GmbH über 10.000 €. Die Rechnung hat der Lieferant vor der Zahlungsunfähigkeit der GmbH gestellt. Die Verbindlichkeiten der GmbH bei Eintritt der Krise betragen 100.000 €. Zu diesem Zeitpunkt ist das Vermögen der GmbH noch 30.000 € wert. Bei Abzug der Kosten für das rechtzeitig eingeleitete Insolvenzverfahren bleiben noch 20.000 € zur Verteilung. Die Insolvenzquote beträgt 20 %. Der Lieferant erhält also 2.000 €. Bekommt der Lieferant bei verspäteter Insolvenzantragstellung und Verteilung der Insolvenzmasse dann z. B. nur 1.000 €, kann er die Differenz (1.000 €) vom Geschäftsführer ersetzt verlangen.

Bei Ansprüchen, die nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden sind, werden diese Neugläubiger so gestellt, als ob sie gar nicht erst mit der GmbH in Geschäftsbeziehung getreten wären.

Beispiel: Ein Lieferant hat eine Forderung gegen die GmbH über 5.000 € aus einer Warenlieferung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Bekommt der Lieferant bei Verteilung der Insolvenzmasse dann später nur 1.000 €, kann er die Differenz in Höhe von 4.000 € vom Geschäftsführer ersetzt verlangen.

4.    Ansprüche der Gesellschafter

Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer nur gegenüber der GmbH und nicht gegenüber einzelnen Gesellschaftern. Ausnahmen hiervon bestehen insbesondere bei Verletzung von Kapitalschutzvorschriften, einer Pflichtverletzung bei Auskünften gegenüber Gesellschaftern und der Rechnungslegung (Buchführungs- und Bilanzierungspflichten).

5.    Haftung für Steuerschulden der GmbH

Als gesetzlicher Vertreter muss der Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen. Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass die fälligen Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden. Andernfalls haftet er unmittelbar gegenüber dem Finanzamt.

Haben die Arbeitnehmer (dazu gehören auch der Gesellschafter-Geschäftsführer und der angestellte Gesellschafter der GmbH) ihren Nettolohn erhalten, muss die darauf entfallende Lohnsteuer in vollem Umfang abgeführt werden (inkl. Solidaritätszuschlag und etwaiger Kirchensteuer). Reichen die vorhandenen Mittel nicht aus, sind die Nettolöhne zu kürzen und entsprechend geringere Lohnsteuerbeträge vollständig zu zahlen. Aus Sicht der GmbH ist die Lohnsteuer Fremdgeld, das treuhänderisch einbehalten wird. Zahlt die GmbH die Lohnsteuer nicht bei Fälligkeit, handelt der Geschäftsführer nach der strengen Rechtsprechung mindestens grob fahrlässig.

Auch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreit den Geschäftsführer nicht von der Haftung. Sind bei Lohnsteuer-Fälligkeit noch liquide Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer vorhanden, muss er diese so lange abführen, bis ihm durch Bestellung eines Insolvenzverwalters bzw. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird. Er haftet auch, wenn die fälligen Steuern innerhalb der dreiwöchigen Schonfrist nicht gezahlt werden, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eingeräumt wird.

Bei nicht gezahlter Umsatzsteuer haftet der Geschäftsführer nur insoweit, als er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hätte tilgen können. Bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers nur in dem Umfang vor, als er die vorhandenen Mittel nicht zu einer anteiligen Befriedigung der privaten Gläubiger und des Finanzamts (wegen der Umsatzsteuer) verwendet hat. Häufig schätzt das Finanzamt, dass 50 % der angefallenen Umsatzsteuer hätten bezahlt werden können.

6.    Ansprüche der Sozialversicherungs- träger

Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung geklärt, dass der Geschäftsführer immer haftet, wenn Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung im Stadium der Insolvenzreife einer GmbH nicht abgeführt werden. Demnach hat die Einzugsstelle einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer, wenn er an andere Gläubiger trotz der Insolvenzreife Zahlungen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren. In einem solchen Fall kann sich der Geschäftsführer folglich nicht auf eine Pflichtenkollision berufen.

Können die Beiträge insgesamt (inkl. Arbeitgeberanteile) nicht in voller Höhe erbracht werden, ist es empfehlenswert, bei Zahlung auf der Überweisung eine Tilgungsbestimmung (zunächst auf den Arbeitnehmeranteil) zu treffen. Allerdings kann es auch strafbar sein, wenn Arbeitgeberanteile vorenthalten werden. Daher muss mit dem Sozialversicherungsträger diesbezüglich eine ausdrückliche Stundungsvereinbarung getroffen werden.

Hinweis: Die Haftung für Sozialversicherungsbeiträge entsteht auch dann, wenn tatsächlich kein Nettolohn ausbezahlt wird.

7.    Strafrechtliche Folgen

Strafrechtliche Folgen drohen u. a. in den nachfolgenden Fällen:

  • Betrug: Ein Betrug liegt beispielsweise vor, wenn der Geschäftsführer Waren bestellt, obwohl offenkundig ist, dass diese Lieferung nicht bezahlt werden kann. Macht der Geschäftsführer gegenüber der Bank falsche oder unvollständige Angaben über krediterhebliche Umstände, ist dieses Verhalten darüber hinaus als Kreditbetrug strafbar. Dazu gehören insbesondere die Vorlage unrichtiger oder unvollständiger Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Vermögensübersichten oder Betriebsgutachten.
  • Gläubigerbegünstigung: In diesem Fall gewährt der Geschäftsführer einem Gläubiger in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der GmbH eine Sicherheit oder Befriedigung, auf die dieser keinen Anspruch hat; der Gläubiger wird dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt.
  • Bankrott: Der Geschäftsführer macht sich hier bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit z. B. strafbar, wenn er
      • Vermögensbestandteile, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft (beispielsweise Bargeld oder Geldeingänge auf fremde Konten umleitet);
      • Waren auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt;
      • Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt (z. B. vordatierte Verträge, Abtretungen);
      • Handelsbücher gar nicht führt oder aber so führt bzw. verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird;
      • Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung er verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert;
      • entgegen dem Handelsrecht Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.
  • Enthält der Geschäftsführer der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vor, stellt dies eine Veruntreuung dar. In diesem Fall haben die Arbeitnehmer ihre Arbeit erbracht und dafür auch den ihnen zustehenden Nettolohn erhalten; jedoch wurden die Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag nicht oder nicht vollständig entrichtet.

Hinweis: Sozialversicherungsbeiträge sind fällig am drittletzten Bankarbeitstag des Beschäftigungsmonats. Zu diesem Zeitpunkt müssen sie auf dem Bankkonto der Einzugsstelle gutgeschrieben sein. Ein Vorenthalten liegt schon bei einer verspäteten Gutschrift vor.

  • Steuerhinterziehung: Umsatzsteuererklärungen müssen pünktlich abgegeben werden. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen, selbst wenn die berechnete Umsatzsteuer-Zahllast u. U. nicht oder nicht vollständig bezahlt werden kann. Die schlichte Nichtzahlung geschuldeter Umsatzsteuer ist keine Steuerhinterziehung, wohl aber die Nichtabgabe bzw. die nicht fristgemäße Abgabe der Steuererklärung.

Steuerberater – Merkblatt: Geschäfts- und Firmenwagen

I.     Überblick

Bei Führungskräften und im Außendienst tätigen Mitarbeitern gehört ein Firmenwagen meist „on top“ zu den Gehaltsbestandteilen. Darf ein Arbeitnehmer einen Dienstwagen auch für private Fahrten nutzen, muss er diesen Nutzungsvorteil – sofern er kein Fahrtenbuch führt – nach der sog. 1-%-Regelung versteuern. Anders hingegen, wenn die private Nutzung durch den Arbeitgeber ausdrücklich untersagt wird: Der Bundesfinanzhof hat Ende 2011 entschieden, dass die Nutzung eines Firmenwagens lediglich für betriebliche Fahrten und den Arbeitsweg keine private Nutzung darstellt. Folge: Das Finanzamt durfte die 1-%-Regelung aufgrund der fehlenden Privatnutzung des Dienstwagens nicht ansetzen. Denn die Versteuerung nach der 1-%-Regelung setzt gerade voraus, dass der Arbeitnehmer den Dienstwagen privat nutzen durfte.

Bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern ist die private Nutzung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs meist selbstverständlich. Die auf die Privatfahrten entfallenden Kosten dürfen ihren Gewinn aber nicht mindern und werden daher als Privatentnahmen (Nutzungsentnahme) bei den Betriebseinnahmen erfasst.

Bei Geschäftswagen, die zu mehr als der Hälfte für betriebliche/berufliche Fahrten genutzt werden, kann der Gewerbetreibende bzw. Freiberufler den Privatanteil pauschal nach der 1-%-Methode ermitteln, d. h. mit einem Prozent des Bruttolistenpreises zzgl. der Kosten für Sonderausstattungen pro Monat Gewinn erhöhend erfassen. Alternativ kann er den Privatanteil nach der Fahrtenbuchmethode berechnen, indem er ein Fahrtenbuch führt und die auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen dem Gewinn wieder hinzurechnet. Hier wird der Entnahmewert nach dem Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung berechnet.

II.    Überwiegend betriebliche bzw. berufliche Nutzung (über 50 %)

Ob das Fahrzeug zum Betriebs- oder Privatvermögen zählt, hängt davon ab, in welchem prozentualen Umfang Unternehmer ihn tatsächlich betrieblich nutzen. Vor der Wahl der Berechnungsmethode muss also der Umfang der betrieblichen bzw. beruflichen Nutzung ermittelt werden.

1.     Betriebliche/berufliche Fahrten

Betrieblich bzw. beruflich veranlasst sind alle Fahrten,

  • die in einem tatsächlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen (z. B. Fahrten zu Kunden, Geschäftspartnern, Warenlieferungen),
  • die Arbeitnehmer mit dem Firmenwagen für den Arbeitgeber tätigen,
  • zwischen Wohnung und Betriebs- bzw. Arbeitsstätte sowie
  • Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.

2.     Privat veranlasste Fahrten

Hierzu zählen insbesondere Fahrten

  • an den Urlaubsort oder am Wochenende zur Erholung,
  • zu Verwandten, Freunden, kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen, Einkaufsfahrten,
  • zu privaten Gaststättenbesuchen, Mittagsheimfahrten,
  • im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie
  • im Rahmen der Erzielung von Einkünften aus anderen Einkunftsarten (z. B. aus einer selbständig ausgeübten Nebentätigkeit).

3.     Nachweis der betrieblichen bzw. beruflichen Nutzung

Der Steuerzahler trägt die sog. objektive Beweislast, d. h. er muss den Umfang der betrieblichen Nutzung darlegen und glaubhaft machen. Dafür muss nicht zwangsläufig ein Fahrtenbuch geführt werden. Kein gesonderter Nachweis ist erforderlich, wenn das Fahrzeug „typischerweise“ überwiegend betrieblich genutzt wird, z. B. wenn

  • es sich um einen Steuerzahler aus einer bestimmten Berufsgruppe handelt, bei der sich aus Art und Umfang der Tätigkeit ergibt, dass das Fahrzeug zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird (Beispiele: Handelsvertreter mit großem Geschäftsbezirk; Taxiunternehmer; Land- und Tierärzte; Ärzte, die in großem Umfang Hausbesuche machen; Geburtshelfer, die zu Hausgeburten gerufen werden; Handwerker der Bau- und Baunebengewerbe) oder
  • die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb/Arbeits-stätte sowie die Familienheimfahrten bereits mehr als 50 % der Jahreskilometerleistung ausmachen. Hinweise: Hat der Steuerzahler den betrieblichen bzw. beruflichen Nutzungsumfang des Fahrzeugs einmal dargelegt, geht das Finanzamt hiervon auch für die folgenden Verlangungszeiträume aus. Dies gilt aber nicht, wenn sich wesentliche Änderungen in Art oder Umfang der Tätigkeit oder der Fahrten zwischen Wohnung und Betriebs-/Arbeitsstätte ergeben. Wird beispielsweise die Fahrzeugklasse gewechselt, kann im Einzelfall der Nutzungsumfang nochmals geprüft werden.
  • Für den Nachweis genügen nach Auffassung der Finanzverwaltung z. B. Eintragungen im Terminkalender, Kilometerabrechnungen gegenüber Auftraggebern, Reisekostenaufstellungen sowie einfache Aufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum von i. d. R. drei Monaten (ohne Urlaubszeit). Dabei reicht es aus, wenn die betrieblich veranlassten Fahrten mit dem jeweiligen Anlass und der zurückgelegten Strecke sowie die Kilometerstände zu Beginn und am Ende der betrieblichen Fahrt oder des betrieblichen Abrechnungszeitraums aufgezeichnet werden. Wichtig ist, dass die Aufzeichnungen zeitnah erfolgen und nicht erst nachträglich zum Jahresende anhand der Rechnungen, Tankquittungen „erstellt“ werden.

Wird wahrheitswidrig keinerlei Privatnutzung für das betriebliche Fahrzeug erklärt und wurden bei Erlass der Gewinnfeststellungsbescheide keine Ermittlungen zur Fahrzeugnutzung durchgeführt, können die bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheide vom Finanzamt auch noch Jahre später geändert und die Privatnutzung nachträglich Gewinn erhöhend berücksichtigt werden.

Wird das Fahrzeug zu weniger als 50 % betrieblich bzw. beruflich genutzt, muss der Entnahmewert zwingend nach dem Umfang der privaten Nutzung berechnet werden. Liegt kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vor, wird der private Nutzungsanteil im Wege der Schätzung ermittelt (vgl. hierzu Kap. III. oder Kap. IV).

4.     Pauschale Ermittlung des Entnahmewerts für die private Kfz-Nutzung

4.1   1-%-Regelung für Privatfahrten

Der Steuerzahler hat die Wahl: Er kann die Besteuerung entweder nach der pauschalen 1-%-Regelung oder nach der tatsächlichen privaten Nutzung (Fahrtenbuchmethode) durch Einreichen der Steuererklärung beim Finanzamt durchführen lassen. Die Wahl muss für das gesamte Wirtschaftsjahr einheitlich getroffen werden. Bei einem Fahrzeugwechsel Laufe des Wirtschaftsjahres kann aber unterjährig auch eine andere Ermittlungsmethode gewählt werden. Macht der Steuerzahler von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, erfolgt die Berechnung nach der 1-%-Regelung.

Dabei beträgt der Nutzungswert pro Monat 1 % des auf 100 € abgerundeten inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der Kosten für – auch nachträglich eingebaute – Sonderausstattungen (z. B. eingebautes Navigationsgerät, Sitzheizung) einschließlich Umsatzsteuer. Der Wert eines Autotelefons einschließlich Freisprecheinrichtung sowie der Wert eines weiteren Satzes Reifen einschließlich Felgen bleiben außer Ansatz. Der Listenpreis wird auch bei reimportierten Fahrzeugen und Leasingfahrzeugen angesetzt.

Hinweis: Der Bundesfinanzhof hat Ende 2010 entschieden, dass Kosten für den nachträglichen Einbau einer Flüssiggasanlage in ein auch zur Privatnutzung überlassenes Firmenfahrzeug nicht als Kosten für Sonderausstattung in die Bemessungsgrundlage für die 1-%-Regelung einzubeziehen sind.

Kürzungen wegen

  • eines vorhandenen Zweitwagens,
  • Kaufpreisnachlässen,
  • eines Vorsteuerabzugs,
  • der Übernahme der Treibstoffkosten durch den Arbeitnehmer oder
  • der Unterbringung des Fahrzeugs in einer dem Arbeitnehmer gehörenden oder von ihm angemieteten Garage

akzeptiert das Finanzamt nicht. Denn maßgeblich sind nicht etwa die tatsächlichen Anschaffungskosten des Wagens, sondern dessen inländischer Bruttolistenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung laut Listenpreis der Hersteller.

Hinweise: Die 1-%-Regelung kann sich bei Gebrauchtfahrzeugen sehr nachteilig auswirken, weil auch hier die Grundlage der Bruttolistenpreis (Neuwagenpreis) und nicht der Einstandspreis ist.

Die Monatswerte sind nicht anzusetzen für volle Kalendermonate, in denen eine private Nutzung oder eine Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte ausgeschlossen ist (z. B. Krankenhausaufenthalt und Urlaub).

Das Finanzgericht Niedersachsen hat 2011 entschieden, dass die 1-%-Regelung bezogen auf den Bruttolistenpreis trotz hoher Rabatte seitens der Automobilhändler verfassungsgemäß ist und nicht an die geänderten Marktverhältnisse angepasst werden muss. Es muss allerdings noch abgewartet werden, wie die Richter des Bundesfinanzhofs über die Revision urteilen.

4.2   Mehrere Fahrzeuge im Betriebsvermögen

Grundsätzlich ist es unerheblich, ob ein Fahrzeug von mehreren Personen oder umgekehrt mehrere Kfz von einer Person genutzt werden:

  • Wird ein Fahrzeug von mehreren Personen, ggf. einschließlich Arbeitnehmern des Unternehmers, auch privat genutzt, wird die nach der 1-%-Regelung ermittelte Nutzungsentnahme auf die Nutzungsberechtigten aufgeteilt. Eine Erfassung der Nutzungsentnahme pro nutzende Person findet nicht statt.
  • Werden mehrere Fahrzeuge auch privat genutzt, ist die Nutzungsentnahme grundsätzlich für jedes auch privat genutzte Kfz anzusetzen, unabhängig davon, ob es der Unternehmer selbst fährt oder seinem Ehepartner bzw. Kind überlässt.

Des Weiteren ist zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften zu unterscheiden:

  • Einzelunternehmen: Zunächst trifft den Steuerzahler die besondere Beweislast. Denn eine Besteuerung entfällt, wenn er glaubhaft machen kann, dass bestimmte Geschäftswagen nicht privat genutzt werden, weil sie hierfür nicht geeignet sind (z. B. Werkstattwagen). Dasselbe gilt, wenn es sich um Fahrzeuge handelt, die ausschließlich eigenen Mitarbeitern überlassen werden.

Hinweis: Unternehmer, die mehrere Firmenfahrzeuge auch privat nutzen, sollten überdenken, ob sie alternativ Fahrtenbücher führen. Nur so kann eine Mehrfachbesteuerung der Privatnutzung vermieden werden.

  • Personengesellschaft: Hier verlangt das Finanzamt den Ansatz der 1 %igen Nutzungsentnahme je Gesellschafter und Fahrzeug. Bei mehreren Fahrzeugen erhöht diese sich wieder um jeden privat nutzenden Angehörigen. Haben mehrere Gesellschafter nur auf ein Fahrzeug für Privatfahrten Zugriff, wird die Nutzungsentnahme nur einmal (fahrzeugbezogen) ermittelt und nach Köpfen auf die Gesellschafter verteilt.

4.3   Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb

Fahrten von der Wohnung zum Betrieb sind mit der 1-%-Regelung nicht abgegolten, sondern zusätzlich zu korrigieren:

  • Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb: 0,03 % des Bruttolistenpreises x Entfernungskilometer x Monate.
  • Familienheimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung: 0,002 % des Bruttolistenpreises x Entfernungskilometer x Anzahl der Heimfahrten. Im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens kann der Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers die Einzelbewertung auf Nachweis des Arbeitnehmers – begrenzt auf 180 Tage im Jahr – vornehmen und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 0,02 % des Bruttolistenpreises x Entfernungskilometer ansetzen.
  • Hinweise: Auch wenn der Geschäftswagen nur tageweise für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb genutzt wird, sind 0,03 % pro Entfernungskilometer für jeden Monat anzusetzen. Nur bei den Fahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sind die tatsächlichen Fahrten entscheidend.

Werden täglich mehrere Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte zurückgelegt, vervielfacht sich der pauschale Hinzurechnungsbetrag nicht. Für die Ermittlung des betrieblichen Nutzungsumfangs sind auch die Mehrfachfahrten zu berücksichtigen.

Hat ein Unternehmer mehrere Betriebsstätten in unterschiedlicher Entfernung zur Wohnung gilt Folgendes:

Beispiel: Unternehmer A wohnt und unterhält einen Betrieb in A-Stadt (Entfernung Wohnung – Betrieb: 30 km). Eine weitere Betriebsstätte liegt in B-Stadt, 100 km entfernt von seiner Wohnung. Mit dem Geschäftswagen (Bruttolistenpreis: 50.000 €) fährt er an 40 Tagen zum Betrieb in B-Stadt und an insgesamt 178 Tagen zum Betrieb in A-Stadt. Die nicht abziehbaren Betriebsausgaben ermitteln sich wie folgt:

Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb in A-Stadt (= näher gelegene Betriebsstätte): 0,03 % von 50.000 € x 30 km x 12 Monate = 5.400 €
Abzgl. abzugsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb in A-Stadt: 178 Tage x 30 km x 0,30 € = 1.602 € 3.798 €
Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb in B-Stadt (= weiter entfernt gelegene Betriebsstätte): 0,002 % von 50.000 € x 70 km (= Differenz zwischen den Entfernungen der Wohnung zur jeweiligen Betriebsstätte: 100 – 30) x 40 Tage = 2.800 €
Abzgl. abzugsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb in B-Stadt: 40 Tage x 100 km x 0,30  € = 1.200 € + 1.600 €
Dem Gewinn hinzuzurechnen: 5.398 €

Fahrten zwischen mehreren Betriebsstätten sind in vollem Umfang betrieblich veranlasst, so dass ein Zuschlag entfällt. Ein Arbeitszimmer ist wegen der räumlichen Nähe keine Betriebsstätte.

4.4   Kostendeckelung

Gerade bei Gebrauchtfahrzeugen, abgeschriebenen Fahrzeugen sowie bei Kfz bei denen keine größeren (Reparatur-)Kosten angefallen sind, kann es sein, dass der pauschale Korrekturwert für die private Nutzung höher ausfällt als die tatsächlich entstandenen Fahrzeugkosten. In diesem Fall ist die Gewinnkorrektur auf die Höhe der tatsächlich gebuchten Betriebsausgaben begrenzt. Folge: Das Fahrzeug lässt sich nicht von der Steuer absetzen, weil der pauschale Nutzungswert die Gesamtaufwendungen neutralisiert.

Hinweise: Bei Anwendung der Kostendeckelung muss dem Steuerpflichtigen als abziehbare Aufwendungen aber mindestens die Entfernungspauschale verbleiben. Zu prüfen wäre hier, ob die Fahrtenbuchmethode oder die Behandlung als Privatvermögen unter Ansatz von 0,30 € pro beruflich gefahrenem Kilometer günstiger ist.

5.     Individueller Nutzungswert mittels ordnungsgemäßem Fahrtenbuch

Die Fahrtenbuchmethode ist die gesetzliche Ausnahmeregelung zur 1-%-Methode. Damit kann die private Nutzung eines Firmen- oder Geschäftswagens, der über die Hälfte beruflich genutzt wird, exakt mit dem auf diese Fahrten entfallenden Teil der Gesamtkosten angesetzt werden.

Hierzu sind die für das Fahrzeug insgesamt entstandenen Aufwendungen nachzuweisen. Aus dem Fahrtenbuch muss sich lückenlos das Verhältnis der Privatfahrten, der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, der Familienheimfahrten und der sonstigen Fahrten ergeben. Ansonsten wird der pauschale Nutzungswert (1-%-Methode) angesetzt.

Hinweis: Die Fahrtenbuchmethode ist vor allem dann vorteilhaft. wenn

  • das Fahrzeug nur in geringem Umfang für Privatfahrten genutzt wird, oder
  • mehrere betriebliche Fahrzeuge durch eine oder mehrere Personen genutzt werden oder
  • die Werte nach der 1-%-Regelung die tatsächlich entstandenen Kosten für das Fahrzeug übersteigen.

5.1   Anforderungen an ein Fahrtenbuch

Zum Nachweis des Verhältnisses der einzelnen Fahrten ist für das gesamte Jahr ein Fahrtenbuch zu führen, und zwar schriftlich und in geschlossener Form (keine losen Blätter!).

Alternativ kann das Fahrtenbuch aber auch in elektronischer Form geführt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich daraus dieselben Angaben ergeben, wie auch aus einem manuell geführten Fahrtenbuch. Darüber hinaus müssen nachträgliche Veränderungen an den eingegebenen Daten technisch ausgeschlossen sein oder zumindest dokumentiert sowie offengelegt werden. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn das Fahrtenbuch als Excel-Tabelle geführt wird. Der Ausdruck einer solchen Datei ist daher als Nachweis für die Vollständigkeit und Richtigkeit der erforderlichen Angaben ungeeignet.

Ein Fahrtenbuch, das aus einer Kombination von handschriftlich geführten, zeitnahen und lückenlosen Aufzeichnungen in geschlossener Form mit nachträglich gefertigten Erläuterungen in einer Excel-Datei besteht, ist nach einem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg hingegen ordnungsgemäß. Der Bundesfinanzhof muss aber noch über die zugelassene Revision entscheiden.

Das Finanzamt darf das Fahrtenbuch wegen kleinerer Aufzeichnungsmängel (z. B. wenn die aufgezeichneten Kilometerstände nicht exakt mit denen der Werkstattrechnungen übereinstimmen) nicht gänzlich verwerfen, wenn es ansonsten plausibel ist und die zutreffende Aufteilung der Kosten gewährleistet.

Treten bei einer Vielzahl von Eintragungen in einer gewissen Regelmäßigkeit und Ähnlichkeit Fehler auf und ergeben sich zudem zu den Tankbelegen offenkundige Widersprüche, ist nach Ansicht des Finanzgerichts Nürnberg das für das betreffende Kalenderjahr geführte Fahrtenbuch insgesamt als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen.

Hinweis: Angesichts der widerstreitenden Urteile seitens der Finanzgerichte ist besondere Sorgfältigkeit geboten. Zweifel gehen zulasten des Steuerpflichtigen und führen zwingend zur Anwendung der 1-%-Methode.

Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch enthält nach Auffassung der Finanzverwaltung mindestens die folgenden Angaben:

  • Amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs, damit feststeht, für welches Fahrzeug das Fahrtenbuch geführt wird;
  • Datum und Kilometerstand zu Beginn und am Ende jeder einzelnen betrieblich veranlassten Fahrt. Ein Fahrtenbuch mit gerundeten Kilometerangaben ist nicht ordnungsgemäß.
  • Startort;
  • Reiseziel und – bei Umwegen – darüber hinaus die Reiseroute;
  • Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner; hierzu gehört die Angabe des jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartners oder des konkreten Gegen­stands, wie z. B. der Besuch einer Behörde, einer Zweigstelle oder einer Baustelle. Bloße Ortsangaben reichen aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt. Dasselbe gilt, wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die nicht ergänzt werden müssen. Mehrere Teilabschnitte einer einheitlichen betrieblichen Reise können miteinander zu einer zusammengefassten Eintragung verbunden werden, wenn die einzelnen, aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden. Wird eine betriebliche Fahrt für private Erledigungen unterbrochen, ist dies im Fahrtenbuch zu dokumentieren. Der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner ist auch dann genau zu bezeichnen, wenn diese Angabe in bestimmten Einzelfällen dem Datenschutz unterliegt. Allgemeine Angaben wie z. B. „Kundenbesuch” genügen nicht, da sie eine private (Mit-)Veranlassung der Fahrt nicht objektiv nachprüfbar ausschließen.
  • Anzahl und Gesamtbetrag der gefahrenen Kilometer;
  • Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten: In diesen Fällen genügt jeweils ein kurzer Vermerk im Fahrtenbuch unter Angabe des Kilometerstands zu Beginn und am Ende der entsprechenden Fahrt. Für die Aufzeichnung von Privatfahrten genügen die jeweiligen Kilometerangaben.

Dem Finanzgericht Niedersachsen reicht bei Orten in der Größe von Hannover die Angabe „Hannover” allein nicht aus, da die jeweils aufgesuchten Orte innerhalb von Hannover leicht 20 km voneinander entfernt liegen können. Insoweit müssen im Fahrtenbuch Adressenangaben oder zumindest Straßen- oder Ortsteilnamen erfolgen. Für die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs ist es zudem erforderlich, Umwegfahrten durch Eintragungen zu dokumentieren. In dem Streitfall hatte dies zu einer Verlängerung einer einzelnen Fahrstrecke um bis zu 231 km geführt. Der Bundesfinanzhof wird in 2012 über die anhängige Revision entscheiden.

Für einige Berufsgruppen (z. B. Handelsvertreter, Kurierfahrer, Kundendienstmonteure, Taxifahrer, Fahrlehrer, Steuerberater, Anwälte und Ärzte) bestehen Aufzeichnungserleichterungen.

Hinweis: Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich zum Nachweis der ausschließlichen Nutzung des Pkw eines Handelsvertreters zu betrieblichen Zwecken durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geäußert. Demnach sind in dem Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrzielen die aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. – wenn solche nicht vorhanden sind – das konkrete Handeln für die Firma festzuhalten.

5.2   Gesamtkosten und private Kosten

Die Gesamtkosten des Fahrzeugs setzen sich zusammen aus

  • der Summe aller mit dem Fahrzeug zwangsläufig zusammenhängenden Aufwendungen
  • zzgl. der Absetzungen für Abnutzungen (Nutzungsdauer bei Neuwagen: sechs Jahre); Sonderabschreibungen gehören nicht zu den Gesamtkosten.

Außergewöhnliche Kfz-Kosten (Diebstahl des Fahrzeugs, Unfallschaden) sind vorab der betrieblichen oder privaten Nutzung zuzurechnen, und Kosten, die ausschließlich aus privaten Gründen anfallen (z. B. Mautgebühren auf einer Urlaubsreise), sind vorab als Entnahme zu behandeln.

Anhand der Gesamtkosten ist ein Kilometersatz zu ermitteln. Dieser ist auf die privat gefahrenen Kilometer und den Arbeitsweg anzuwenden sowie als Privatentnahme zu verbuchen. Für die Ermittlung der Gesamtkosten sind die Bruttowerte maßgebend. So ist z. B. die Abschreibung, anders als bei den Betriebsausgaben, vom Kaufpreis inklusive Umsatzsteuer zu berechnen. Zur umsatzsteuerlichen Behandlung vgl. Kap. VII.

5.3   Methodenwahl

Für jedes Wirtschaftsjahr kann der Steuerpflichtige die Methode neu bestimmen. Führt er ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, kann er für die Besteuerung der Privatfahrten zwischen der 1-%-Regel und der Ermittlung mithilfe des Fahrtenbuchs wählen. Dies geschieht mit Einreichen der Steuererklärung. An die hierbei getroffene Wahl ist er nicht gebunden, soweit der Steuerbescheid verfahrensrechtlich noch änderbar ist. Eine Änderung innerhalb des Jahres ist allerdings nur bei einem Fahrzeugwechsel zulässig.

III.   Betriebliche Nutzung zwischen 10 % und 50 %

Hier können Sie wählen, ob das Fahrzeug zum Betriebs- oder Privatvermögen gehören soll. Im ersten Fall handelt es sich um „gewillkürtes Betriebsvermögen“. Gemietete oder geleaste Fahrzeuge gehören stets zum Privatvermögen, wenn sie max. zu 50 % betrieblich genutzt werden, soweit die Zuordnung des Kfz zum Betriebsvermögen nicht in unmissverständlicher Weise durch zeitnah erstellte Aufzeichnungen erfolgt ist. Allein die Erfassung der Leasing­raten und der weiteren Betriebskosten in der Gewinnermittlung als Betriebsausgaben reichen nicht aus. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat zudem entschieden, dass Aufzeichnungen, die nicht zeitnah gefertigt wurden und angesichts der tatsächlichen Umstände nicht plausibel sind, die betriebliche Kfz-Nutzung zu mehr als 10 % nicht belegen können. Eine Revision beim Bundesfinanzhof ist anhängig.

1.     Pkw im gewillkürten Betriebsvermögen

Sämtliche mit dem Fahrzeug im Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind zunächst als Betriebsausgaben zu behandeln. Anschließend werden die auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen als Nutzungsentnahme wieder hinzugerechnet. Der private Nutzungsanteil darf nicht nach der 1-%-Regelung bewertet werden, sondern ist als Entnahme mit den auf die private Nutzung entfallenden Selbstkosten (vgl. dazu auch Kap. II. 5.2) zu bewerten. Für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie für Familienheimfahrten sind die nicht abziehbaren Betriebsausgaben in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu ermitteln.

2.     Fahrzeug im Privatvermögen

Die Kosten für die betriebliche Nutzung eines Pkw können auch dann als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, wenn sich das Fahrzeug im Privatvermögen des Steuerzahlers befindet. Hierfür gibt es wiederum zwei Methoden:

  • Nachweis der tatsächlichen Kosten: Der Anteil der betrieblich durchgeführten Fahrten kann durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch ermittelt werden. Die betrieblichen Fahrten werden dann in Relation gesetzt zur Gesamtfahrleistung bzw. den insgesamt angefallenen tatsächlichen Kosten. Der so ermittelte, auf die betrieblichen Fahrten entfallende Anteil an den Kosten, kann als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden.
  • Berechnung anhand von Pauschalwerten: Die Kosten für betriebliche Fahrten mit dem Privatfahrzeug können ohne Einzelnachweis in Höhe von 0,30 € pro betrieblich gefahrenem Kilometer als Betriebsausgabe angesetzt werden.

Hinweis: Der Bundesfinanzhof wird noch klären, inwieweit Sachschäden an einem privaten Kfz, die auf einer beruflich veranlassten Fahrt entstanden sind, berücksichtigt werden können. Fraglich ist, ob der Unterschiedsbetrag der Zeitwerte des Fahrzeugs vor und nach dem Unfall als Betriebsausgaben abgezogen werden kann, wenn das beschädigte Fahrzeug nicht repariert wird. Alternativ könnte nur eine technische Abschreibung von einem (fiktiven) Restbuchwert in Betracht kommen.

IV.  Betriebliche Nutzung unter 10 %

Wird das Fahrzeug zu weniger als 10 % geschäftlich genutzt, ist es dem Privatvermögen zuzurechnen. Für die betrieblich veranlassten Fahrten kann entweder der mittels Fahrtenbuch ermittelte Kilometersatz oder die Kilometerpauschale abgesetzt werden (vgl. Kap. III. 2.).

V.   Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer

Darf ein Arbeitnehmer sein Fahrzeug nicht nur geschäftlich, sondern auch privat nutzen, erhöht dies seinen Arbeitslohn. Das gilt z. B. auch für Fahrten eines hauptamtlichen Bürgermeisters zwischen Wohnung und Rathaus. Diese sind nicht allein wegen der damit verbundenen Präsenz im Gemeindegebiet grundsätzlich dienstlicher Natur, so dass die private Nutzung des Dienstwagens – wie bei jedem anderen Steuerzahler auch – als geldwerter Vorteil erfasst werden muss.

Hinweise: Der Bundesfinanzhof hatte in 2011 in einigen Urteilen zur regelmäßigen Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsorten entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr als eine einzige regelmäßige Arbeitsstätte je Arbeitsverhältnis innehaben kann. In den Fällen, in denen zuvor mehrere regelmäßige Arbeitsstätten angenommen wurden, erhält der Steuerzahler nun die Entfernungspauschale nur für Fahrten zwischen Wohnung und einer regelmäßigen Arbeitsstätte. Im Gegenzug muss er einen geldwerten Vorteil wegen der Privatnutzung seines Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte versteuern.

Die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat zur Folge, dass für den Fall, dass keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, bei Überlassung eines Dienstwagens kein geldwerter Vorteil besteht. Es handelt sich um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit, so dass die gesetzlichen Verpflegungspauschalen geltend gemacht werden können. Die tatsächlichen Fahrtkosten sind aber nicht absetzbar, weil ein Firmenwagen genutzt wird.

Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Fahrzeug nur für Dienstfahrten und den Weg zur Arbeit, liegt nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus November 2011 keine private Nutzung vor; einen geldwerten Vorteil gibt es nicht (vgl. hierzu bereits Kap. I. und Kap. V. 5.).

Darf der Arbeitnehmer das Fahrzeug auch am Wochenende, in der Freizeit und im Urlaub benutzen, ist der private Nutzungsanteil entweder nach der 1-%-Methode oder nach der Fahrtenbuchmethode zu ermitteln. Wird das Fahrzeug auch für den Arbeitsweg genutzt, erhöht sich der private Nutzungsanteil bei der 1-%-Methode um monatlich 0,03 % des inländischen Listenpreises für jeden Entfernungskilometer. Das gilt unabhängig von Urlaub oder Krankheit. Alternativ gibt es seit 2011 die Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten. Der Arbeitnehmer kann die Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen. Der Arbeitgeber kann den geldwerten Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch pauschal mit 15 % versteuern, soweit der Arbeitnehmer Werbungskosten in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen könnte. Der pauschal versteuerte Arbeitslohn mindert dann die abzugsfähige Entfernungspauschale.

1.     Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der 1-%-Methode

Der geldwerte Vorteil, um den sich der Arbeitslohn des Arbeitnehmers erhöht, errechnet sich aus 1 % des Bruttolistenpreises des Kfz pro Monat zzgl. 0,03 % je Monat und Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Firma. Zahlt der Arbeitnehmer ein pauschales Nutzungsentgelt, mindert dies den geldwerten Vorteil (vgl. hierzu auch Kap. V. 4.):

Beispiel: Ein Arbeitnehmer nutzt ein Fahrzeug (Bruttolistenpreis 30.000 €) sowohl privat als auch für 180 Fahrten à 25 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für diese Privatnutzung behält der Arbeitgeber monatlich pauschal 200 € ein. Der geldwerte Vorteil errechnet sich wie folgt:

1 % von 30.000 € x 12 Monate = 3.600 €
Zzgl. 0,03 % von 30.000 € x 25 km x 12 Monate = + 2.700 €
Abzgl. Zuzahlung Arbeitnehmer 200 € x 12 Monate = – 2.400 €
Geldwerter Vorteil/Arbeitslohn: 3.900 €

Ende 2010 hat der Bundesfinanzhof erneut entschieden, dass die Zuschlagsregelung nur insoweit zur Anwendung kommt, als der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt hat. Wird der Dienstwagen hingegen z. B. tatsächlich nur einmal wöchentlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt, hängt der Zuschlag nach der Rechtsprechung von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Zuschlags ist dann eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen.

Die Finanzverwaltung lässt eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte im Lohnsteuerabzugsverfahren dagegen nur unter den nachfolgenden Voraussetzungen zu:

  • Der Arbeitnehmer muss gegenüber dem Arbeitgeber kalendermonatlich, fahrzeugbezogen, schriftlich und mit Datumsangabe erklären, an welchen Tagen er den Firmenwagen tatsächlich für den Arbeitsweg genutzt hat; die bloße Angabe der Anzahl der Tage reicht hingegen nicht aus.
  • Der Arbeitgeber hat diese Erklärungen des Arbeitnehmers als Belege zum Lohnkonto aufzubewahren.

Hinweise: Angaben dazu, wie der Arbeitnehmer an den anderen Arbeitstagen zur regelmäßigen Arbeitsstätte gelangt ist, sind nicht erforderlich. Zudem sind die Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer den Firmenwagen mehrmals für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt, für die Einzelbewertung nur einmal zu erfassen.

Darüber hinaus ist es zulässig, für den Lohnsteuerabzug jeweils die Erklärung des Vormonats zugrunde zu legen. Macht der Arbeitnehmer nicht erkennbar falsche Angaben, muss der Arbeitgeber aufgrund der Erklärungen des Mitarbeiters den Lohnsteuerabzug durchführen. „Ermittlungspflichten“ des Arbeitgebers ergeben sich hierbei jedenfalls nicht.

  • Wird im Lohnsteuerabzugsverfahren eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte vorgenommen, hat der Arbeitgeber für alle dem Arbeitnehmer überlassenen betrieblichen Kfz eine jahresbezogene Begrenzung auf insgesamt 180 Fahrten vorzunehmen.
  • Eine monatliche Begrenzung auf 15 Fahrten ist ausgeschlossen.

Beispiel: Arbeitnehmer A kann einen vom Arbeitgeber B überlassenen Firmenwagen (Mittelklasse) auch für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nutzen. B liegen datumsgenaue Erklärungen des A über Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte für die Monate Januar bis Juni an jeweils 14 Tagen, für die Monate Juli bis November an jeweils 19 Tagen vor. Für den Monat Dezember liegt B eine datumsgenaue Erklärung des A über Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte an 4 Tagen vor.

In den Monaten Januar bis Juni hat B für Zwecke der Einzelbewertung jeweils 14 Tage zugrunde zu legen, in den Monaten Juli bis November sind es jeweils 19 Tage. Wegen der jahresbezogenen Begrenzung auf 180 Fahrten ist für die Einzelbewertung im Dezember nur ein Tag anzusetzen (Anzahl der Fahrten von Januar bis November = 179). Damit ergeben sich für die Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten des A zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte je Kalendermonat folgende Prozentsätze:

Januar bis Juni:     14 Fahrten x 0,002 % = 0,028 %
Juli bis November: 19 Fahrten x 0,002 % = 0,038 %
Dezember:                  1 Fahrt x 0,002 % = 0,002 %

Setzt der Arbeitnehmer seinen Dienstwagen bei den Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nur für eine Teilstrecke ein, ist bei der Ermittlung des Zuschlags grundsätzlich die gesamte Entfernung zugrunde zu legen. Das Finanzamt akzeptiert es jedoch unter bestimmten Voraussetzungen, wenn der Arbeitgeber den Zuschlag auf der Grundlage der Teilstrecke ermittelt, die mit dem Firmenwagen tatsächlich zurückgelegt wurde. Erforderlich hierfür ist, dass der Dienstwagen vom Arbeitgeber

  • entweder nur für diese Teilstrecke zur Verfügung gestellt worden ist und der Arbeitgeber die Einhaltung seines Nutzungsverbots überwacht
  • oder für die restliche Teilstrecke ein Nachweis über die Benutzung eines anderen Verkehrsmittels erbracht wird (z. B. eine auf den Arbeitnehmer ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte vorgelegt wird).

Hinweise: Deshalb sollten Arbeitnehmer Fahrtkarten des öffentlichen Nahverkehrs unbedingt aufheben; auch der Arbeitgeber sollte hiervon eine Kopie zu seinen Lohnunterlagen nehmen, wenn er nur für die mit dem Pkw zurückgelegte Teilstrecke Lohnsteuer einbehält.

Arbeitet der Ehegatte am selben Tätigkeitsort wie der Arbeitnehmer, sollte auch für den Ehegatten eine entsprechende Jahresfahrkarte aufbewahrt werden. Andernfalls könnte dies dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer und sein Ehegatte doch im Firmenwagen zur Arbeit gefahren sind, und zwar gemeinsam.

Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung werden für Familienheimfahrten u. U. zudem 0,002 € je Entfernungs­kilometer dem Arbeitslohn hingerechnet.

2.     Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der Fahrtenbuchmethode

Führt der Arbeitnehmer ein Fahrtenbuch, ist der geldwerte Vorteil durch die Gesamtkosten (= Aufwendungen des Arbeitgebers) und der insgesamt gefahrenen Kilometer mit anschließender Verteilung auf die beruflich und privat gefahrenen Strecken zu ermitteln.

Beispiel: Die Gesamtkosten des Arbeitgebers betragen 15.000 €, bei einer Fahrleistung von 50.000 km (davon privat 10.000 km [= 20 %] und beruflich 40.000 km [= 80 %]). Der geldwerte Vorteil ermittelt sich wie folgt:

Kosten pro Kilometer: 15.000 € : 50.000 km = 0,30 €/km
Geldwerter Vorteil: 10.000 km x 0,30 € = 3.000 €

Bzgl. der Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch gilt das im Kap. II. 5.1 Gesagte entsprechend.

Die Gesamtkosten für den Firmenwagen sind als Summe der Nettoaufwendungen zzgl. Umsatzsteuer zu ermitteln; dabei bleiben vom Arbeitnehmer selbst getragene Kosten außer Ansatz. Zu den Gesamtkosten gehören nur solche Kosten, die unmittelbar mit dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeugs zusammenhängen und bei seiner Nutzung typischerweise entstehen. Absetzungen für Abnutzung sind stets in die Gesamtkosten einzubeziehen; dabei sind die tatsächlichen Anschaffungskosten einschließlich Umsatzsteuer zugrunde zu legen. Nicht zu den Gesamtkosten gehören hingegen z. B. Beiträge für einen auf den Namen des Arbeitnehmers ausgestellten Schutzbrief, Straßen- oder Tunnelbenutzungsgebühren und Unfallkosten.

Hinweise: Seit 2011 dürfen Unfallkosten nicht mehr zu den Gesamtkosten gerechnet werden. Diese Regelung gilt für beide Methoden der Ermittlung des geldwerten Vorteils. Es gibt eine Vereinfachungsregelung: Verbleiben nach Erstattungen durch Dritte (Versicherungen) Unfallkosten von bis zu 1.000 € (zzgl. Umsatzsteuer) je Schaden, kann dieser Betrag als Reparaturkosten in die Gesamtkosten einbezogen werden. Damit sind Unfallkosten bis zu einem Betrag von 1.000 € (zzgl. Umsatzsteuer) nicht als gesonderter geldwerter Vorteil zu besteuern.

Wenn der Arbeitnehmer den Unfall auf einer Privatfahrt verschuldet hat, also gegenüber dem Arbeitgeber schadenersatzpflichtig ist, der Arbeitgeber aber auf den Schadenersatz verzichtet, liegt in Höhe des Verzichts ein gesonderter geldwerter Vorteil (neben dem geldwerten Vorteil aus der Firmenwagenüberlassung) vor.

Wenn keine Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers vorliegt (Verursachung des Unfalls durch einen Dritten) oder der Unfall sich auf einer beruflich veranlassten Fahrt ereignet, ist kein gesonderter geldwerter Vorteil anzusetzen (Ausnahme: Unfall wurde vom Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig, z. B. Fahren nach Alkoholgenuss verursacht).

3.     Firmenwagen mit Fahrer

Hier stellt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Fahrzeug nebst Fahrer für private Fahrten und/oder Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb bzw. für Familienheimfahrten zur Verfügung. Dabei erhöhen sich sowohl der pauschal als auch der nach der Fahrtenbuchmethode ermittelte Nutzungswert für den Arbeitsweg um 50 %. Dasselbe gilt auch für Familienheimfahrten und bei Privatfahrten, wenn überwiegend der Fahrer genutzt wird. Wird der Fahrer für Privatfahrten nur gelegentlich in Anspruch genommen, beträgt der Zuschlag immerhin noch 40 %. Ist dies nur sporadisch der Fall ist, reduziert sich der Zuschlag auf 25 %.

4.     Zuzahlungen des Arbeitnehmers

Leistet der Arbeitnehmer Zuzahlungen zum Firmenwagen, ergeben sich die nachfolgenden Konsequenzen:

  • Laufende Zuzahlungen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber mindern unmittelbar den geldwerten Vorteil bei beiden Berechnungsmethoden („Saldierung”). Dies gilt sowohl für pauschale als auch für kilometerbezogene laufende Nutzungsentgelte.
  • Trägt der Arbeitnehmer (teilweise) die Treibstoffkosten, wirkt sich das im Rahmen der 1-%-Regelung nicht auf den geldwerten Vorteil aus. Die Aufwendungen berechtigen auch nicht zum Werbungskostenabzug. Bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der Fahrtenbuchmethode gehören die vom Arbeitnehmer selbst getragenen Benzinkosten nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht zu den Gesamtkosten und sind auch keine Werbungskosten.
  • Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten des Fahrzeugs können im Kalenderjahr der Zahlung auf den geldwerten Vorteil für Privatfahrten, für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sowie für steuerpflichtige Familienheimfahrten angerechnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Zuzahlung an seinen Arbeitgeber oder an den Autohändler direkt überweist. Bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode ist die Anrechnung nur möglich, wenn die für die Abschreibungsermittlung relevanten Anschaffungskosten nicht um die Zuschüsse vermindert worden sind.

Hinweis: Da die Rechtslage zur zutreffenden Lohnversteuerung bei Zuzahlungen zum Firmenwagen sehr komplex ist, muss jeder Einzelfall gesondert geprüft werden. Wir beraten Sie gerne.

5.     Nutzungsverbot

Darf der Arbeitnehmer das Firmenfahrzeug nur geschäftlich nutzen und ist die Privatnutzung vertraglich strikt untersagt, entfällt die Versteuerung des geldwerten Vorteils nur dann, wenn die Einhaltung des Nutzungsverbots durch geeignete Unterlagen, die zum Lohnkonto abzuheften sind, nachgewiesen wird. Die Überwachungsmöglichkeiten sind insbesondere bei Gesellschafter-Geschäftsführern allerdings stark eingeschränkt (vgl. auch Kap. VI.). Der Arbeitgeber muss einen Sachverhalt darlegen, der nahelegt, dass eine private Nutzung des Fahrzeugs nicht stattgefunden hat. Bei Verletzung des schriftlich ausgesprochenen Nutzungsverbots sollten dem Arbeitnehmer daher auch arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.

Wird zwar ein Nutzungsverbot ausgesprochen, dieses aber nicht überwacht, kann es passieren, dass die Finanzverwaltung spätestens im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung einen geldwerten Vorteil nach der 1-%-Regelung (nach-)versteuert.

Wird der Dienstwagen hingegen auch für Privatfahrten überlassen, spricht ein sog. Anscheinsbeweis dafür, dass der Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wurde; die 1-%-Regelung ist dann anzuwenden, wenn kein Fahrtenbuch geführt wurde.

In einem aktuellen Fall vor dem Bundesfinanzhof durfte ein Mitarbeiter eines Autohauses einen Vorführwagen nur für Probe- und Vorführfahrten sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Nach dem Arbeitsvertrag war die private Nutzung des Pkw ausdrücklich untersagt. Das Finanzamt bejahte dennoch einen Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Dem widersprach nun der Bundesfinanzhof. Nach Ansicht der Richter muss das Finanzamt zunächst einmal feststellen, dass der Dienstwagen überhaupt privat genutzt werden durfte; denn nur dann spricht ein Anscheinsbeweis für eine tatsächliche private Nutzung. Kann das Finanzamt eine private Nutzungsbefugnis allerdings nicht feststellen, scheidet die 1-%-Regelung aus. Allein die Erlaubnis, den Dienstwagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen, genügt hierfür gerade nicht. Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an die erste Instanz zurück, die nun prüfen muss, ob das vereinbarte Verbot der Privatnutzung u. U. nur zum Schein ausgesprochen worden ist. Den Anscheinsbeweis, dass er den Dienstwagen auch privat fährt, könnte der Arbeitnehmer dann „erschüttern“, wenn er geltend macht, dass er privat ein mindestens gleichwertiges eigenes Fahrzeug genutzt hat.

6.     Nutzung durch mehrere Arbeitnehmer

Nutzen mehrere Arbeitnehmer einen Firmenwagen auch für private Zwecke, wird der nach der 1-%-Regelung ermittelte geldwerte Vorteil auf alle zur Nutzung berechtigten Arbeitnehmer aufgeteilt. Dies geschieht unabhängig vom tatsächlichen Gebrauch des Firmenwagens durch den einzelnen Arbeitnehmer in dem jeweiligen Kalendermonat. Darüber hinaus spielt es auch keine Rolle, ob der Firmenwagen innerhalb eines Kalendermonats gleichzeitig oder zeitlich nacheinander von mehreren Arbeitnehmern genutzt wird. Für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte muss der Arbeitgeber bei jedem Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil mit 0,03 % des Bruttolistenpreises für jeden seiner Entfernungskilometer ermitteln und diesen Wert sodann durch die Zahl der Nutzungsberechtigten teilen.

VI.  Pkw-Nutzung durch Gesellschafter-Geschäftsführer

Bei Gesellschafter-Geschäftsführern, die mindestens die Hälfte des Stammkapitals der GmbH innehaben und den Firmenwagen auch privat nutzen, ist im Einzelfall zu unterscheiden:

  • Ist die Privatnutzung laut Anstellungsvertrag ausdrücklich zugelassen, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs immer ein geldwerter Vorteil als Arbeitslohn vor.
  • Hat die GmbH gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Überlassung eines Firmenwagens ein schriftliches Nutzungsverbot für Privatfahrten ausgesprochen, unterbleibt der Ansatz eines geldwerten Vorteils nur dann, wenn die GmbH die Einhaltung des Verbots auch überwacht. Wird ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt, kann die Überwachung nachgewiesen werden.
  • Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer das Fahrzeug trotz eines Verbots regelmäßig auch privat und wird dies von der Kapitalgesellschaft nicht unterbunden, kann eine körperschaftsteuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttung bei der GmbH vorliegen. Es kommt hier auf den Einzelfall an. Der Gesellschafter erzielt dann Kapitaleinkünfte.

Hinweis: Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass sich die verdeckte Gewinnausschüttung bei der GmbH nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert von 1 % des Bruttolistenpreises bemisst, sondern mit dem tatsächlichen Verkehrswert des Nutzungsvorteils. Dieser Wert muss noch um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden.

VII. Umsatzsteuer

Bei einem Fahrzeug, das sowohl unternehmerisch als auch privat genutzt wird, bestehen bei einer unternehmerischen Nutzung von über 10 % drei Optionen: Der Wagen kann entweder insgesamt dem Unternehmen oder insgesamt dem privaten Bereich zugeordnet werden bzw. es wird aufgeteilt. Anders dagegen bei einer maximal 10 %igen unternehmerischen Nutzung: Hier besteht keine Möglichkeit, das Kfz dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen.

1.     Zuordnung des Fahrzeugs zum Unternehmen

Hat der Unternehmer ein erworbenes Fahrzeug, das sowohl unternehmerisch als auch privat genutzt wird, zulässigerweise insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet, kann er die auf die Anschaffungskosten des Fahrzeugs entfallenden Vorsteuerbeträge abziehen. Wird der volle oder teilweise Abzug der Vorsteuer geltend gemacht, unterliegt die private Verwendung als sog. unentgeltliche Wertabgabe der Besteuerung. Für Unternehmer mit steuerfreien Ausgangsumsätzen gelten Besonderheiten.

Die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe kann nach drei Methoden ermittelt werden:

  • Pauschalierung nach der 1-%-Regel: Wird das Fahrzeug über die Hälfte geschäftlich genutzt und ertragsteuerlich die 1-%-Regel angewandt, gilt dieser Wert aus Vereinfachungsgründen auch für die Umsatzsteuer. Für die nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten besteht ein pauschaler Abschlag von 20 %. Der ermittelte Betrag ist ein Nettowert, auf den die Umsatzsteuer mit dem allgemeinen Steuersatz aufzuschlagen ist.

 

Hinweis: Der Unternehmer darf nach Auffassung des Bundesfinanzhofs von dem einkommensteuerlich relevanten Entnahmewert von 1 % des Listenpreises pro Monat keinen höheren Abschlag als 20 % vornehmen, selbst wenn er nachweisen kann, dass weniger als 80 % seiner Pkw-Kosten mit Vorsteuer belastet sind.

  • Fahrtenbuch: Die Umsatzsteuer entsteht auf die mit Vorsteuern belasteten Ausgaben für das Fahrzeug, soweit sie anteilig auf die reinen Privatfahrten (ohne Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb) entfallen. Kosten ohne Vorsteuer, wie z. B. Versicherung und Kfz-Steuer, gehören nicht dazu und die Abschreibung nur dann, wenn das Fahrzeug mit Vorsteuerabzug angeschafft wurde. Umsatzsteuerlich ist die Abschreibung auf fünf Jahre zu verteilen, bei der Ertragsteuer dagegen prinzipiell auf sechs Jahre sowie bei der Lohnbesteuerung des geldwerten Vorteils durch die Überlassung an Arbeitnehmer sogar auf acht Jahre.
  • Schätzung: Scheidet eine Anwendung der 1-%-Regel aus, weil das Fahrzeug zu weniger als die Hälfte betrieblich genutzt wird und wird der private Anteil der Nutzung nicht durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen, ist dieser Nutzungsanteil zu schätzen. Der Umsatzbesteuerung ist dabei grundsätzlich der für ertragsteuerliche Zwecke ermittelte private Nutzungsanteil zugrunde zu legen.

 

2.     Zuordnung zum Privatvermögen

Ist das Fahrzeug insgesamt dem Privatvermögen zugeordnet, kann aus den Anschaffungskosten keine Vorsteuer gezogen werden. Die Privatnutzung führt dann im Gegenzug auch nicht zu einer unentgeltlichen Wertabgabe. Aus den laufenden Aufwendungen (beispielsweise Benzin- und Wartungskosten) können jedoch Vorsteuerbeträge im Verhältnis der unternehmerischen zur privaten Nutzung abgezogen werden. Voraussetzung dafür sind ordnungsgemäße Rechnungen!

Hinweis: Vorsteuerbeträge, die unmittelbar und ausschließlich auf die unternehmerische Verwendung des Fahrzeugs entfallen, z. B. Vorsteuerbeträge aus Reparaturkosten infolge eines Unfalls während einer Geschäftsfahrt, können in voller Höhe abgezogen werden.

3.     Überlassung an Arbeitnehmer

Die Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer zur privaten (Mit be-)Nutzung unterliegt immer der Umsatzsteuer.

Im Regelfall der entgeltlichen Überlassung ermittelt sich die Bruttobemessungsgrundlage nach den lohnsteuersteuerlichen Werten, ohne eine 20-%-Kürzung für die nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten (bei unentgeltlicher Nutzung ist der Abschlag zulässig). Bei Familienheimfahrten ist auch der lohnsteuerfreie Vorteil für die erste wöchentliche Familienheimfahrt der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die lohnsteuerliche und die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage weichen insoweit voneinander ab. Dasselbe kann sich bei Zuzahlungen des Arbeitnehmers ergeben, die zwar die lohnsteuerliche, nicht aber die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage mindern können.

Beispiel: Arbeitnehmer A nutzt den Firmenwagen (Bruttolistenpreis 40.000 €) sowohl dienstlich als auch privat. Unter der Woche fährt er damit 15 km von seinem Zweitwohnsitz zur Arbeit und am Wochenende pendelt er zum 200 km entfernt liegenden Familienwohnsitz (46 Fahrten pro Jahr). Für die Privatfahrten verlangt die Firma von A eine Zuzahlung von monatlich 100 €.

Berechnung nach Pauschalwerten
Lohnsteuer Umsatzsteuer
Reine Privatfahrten: 1 % von 40.000 € x 12 Monate = 4.800 € 4.800 €
Arbeitsweg: 0,03 % von 40.000 € x 15 km x 12 Monate = 2.160 € 2.160 €
Familienheimfahrten: 0,002 % von 40.000 € x 200 km x 46 Fahrten = steuerfrei 7.360 €
Zwischensumme/ Bemessungsgrundlage 6.960 € 14.320 €
Umsatzsteuer = 14.320 € x 19/119 = 2.286,39 €
Abzgl. Zuzahlung für 12 Monate = – 1.200 €
Geldwerter Vorteil (Lohnsteuer) 5.760 €

Bei der Fahrtenbuchmethode ist das aufgrund des Fahrtenbuchs ermittelte Nutzungsverhältnis auch bei der Umsatzsteuer zugrunde zu legen, wobei die Umsatzsteuer außer Betracht bleibt (= Netto-Gesamtkosten). Aus den Gesamtkosten dürfen Kosten, bei denen ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist, nicht abgezogen werden. Der Arbeitsweg sowie die Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zählen umsatzsteuerlich zu den Privatfahrten des Arbeitnehmers.

Hinweis: Wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug lediglich gelegentlich an nicht mehr als fünf Tagen im Monat zu besonderen Anlässen privat nutzen darf und dies nachgewiesen wird, ist von einem unentgeltlichen Vorgang auszugehen, für den sich dann eine niedrigere Bemessungsgrundlage ergibt. Hier darf der Abschlag in Höhe von 20 % für Kosten, bei denen der Vorsteuerabzug nicht möglich ist, vorgenommen werden.

4.     Privatnutzung durch Gesellschafter oder Angehörige

Hier ist zu unterscheiden, ob das dem Betriebsvermögen zugeordnete Fahrzeug entgeltlich oder unentgeltlich zur privaten Nutzung überlassen wird. Wird eine Vergütung vereinbart, ist entscheidend, ob diese die anteilig privaten Pkw-Kosten deckt.

Fahrten, die z. B. Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Wohnung zur Arbeits-/Betriebsstätte mit gesellschaftseigenen Fahrzeugen durchführen, dienen umsatzsteuerrechtlich i. d. R. unternehmensfremden Zwecken. Insoweit ist umsatzsteuerlich eine andere Wertung geboten als sie im Ertragssteuerrecht vorgenommen wird, wo derartige Fahrten dem Grunde nach als Betriebsausgaben angesehen werden.

Überlässt eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern Firmenfahrzeuge für Privatfahrten, und zahlen diese hierfür ein Entgelt, unterliegt dies der Umsatzsteuer. Ein Entgelt liegt darüber hinaus auch vor, wenn die Personengesellschaft die bei ihr geführten Privatkonten der Gesellschafter mit den der Privatnutzung zuzuordnenden Kosten belastet. Eine entgeltliche Überlassung des Firmenwagens setzt dabei nicht den Abschluss eines schriftlichen Vertrags voraus.

Als umsatzsteuerliches Entgelt für die Kfz-Vermietungen an die Gesellschafter ist ferner der Betrag der tatsächlichen Privatkontenbelastung der Gesellschafter anzusetzen.

Hinweis: Die Einzelheiten sind hier sehr komplex. Wir prüfen die insoweit zu beachtenden Besonderheiten im Einzelfall gerne für Sie.

Umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen der Physiotherapeuten und staatlich geprüften Masseure

I. Welche Leistungen sind steuerfrei?

Um als Physiotherapeut oder staatlich geprüfter Masseur umsatzsteuerfreie Behandlungen erbringen zu können, muss es sich bei der Leistung um eine Heilbehandlung handeln, die von einem Arzt oder Heilpraktiker verordnet wurde oder die im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht wird.

Hinweis: Heilbehandlungen sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Heilberufliche Leistungen sind daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

  1. Welche Leistungen sind nicht begünstigt?

1.  Wellnessprogramme

Eine bloße Maßnahme zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens bzw. ein Wellnessprogramm ist keine Heilbehandlung, selbst wenn sie von Angehörigen eines Heilberufs erbracht wird. Im Grenzbereich zwischen möglicher Heilbehandlung und Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens greift § 4 Nr. 14 UStG bei Maßnahmen ein, die aufgrund ärztlicher Indikation nach ärztlicher Verordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht werden. Wird eine Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, findet die Steuerbefreiung keine Anwendung.

2.   Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V

Auch nicht begünstigt sind Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheiten von Gesundheitschancen erbringen sollen. Hieran ändert auch eine Verordnung nichts.

III. Formale Voraussetzungen an die Steuerbefreiung und Nachweispflichten

Als ärztliche Verordnung gilt im Allgemeinen sowohl das Kassenrezept als auch das Privatrezept (d.h. nicht nur „grünes“, sondern auch „rotes“ Rezept begünstigt). Eine Behandlungsempfehlung durch einen Arzt oder Heilpraktiker, z.B. bei Antritt des Aufenthalts in einem „Kur“-Hotel, reicht nicht aus.

Hinweis: Die Finanzverwaltung gestattet aber für vor dem 1. 1. 2012 erbrachte Anschlussbehandlungen ohne erneute Verordnung, diese steuerfrei zu belassen.

Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit sind in jedem Einzelfall vom Unternehmer nachzuweisen. Kann der Nachweis nicht erbracht werden, sind die Umsätze zwingend steuerpflichtig (Beweislast). Beruft sich der Unternehmer auf die „ärztliche Schweigepflicht“, sind die Umsätze steuerpflichtig.

IV. Welcher Steuersatz kommt zur Anwendung?

Findet die Steuerbefreiung keine Anwendung, kann der ermäßigte Steuersatz mit 7 %zur Anwendung kommen, da zu den begünstigten ermäßigt zu besteuernden Leistungen Heilmassagen und Heilgymnastik zählen. Ein bestimmter Heilzweck ist bei den typischen Physiotherapieleistungen, die von den Krankenkassen grundsätzlich als Heilmittel anerkannt sind, nicht nachzuweisen.

Reine Wellness-Anwendungen (z. B. Thai-Massagen, Hot Stone, Lomi-Lomi) und andere nicht verordnungsfähige Leistungen (z. B. Ganzkörpermassagen, Maßnahmen, die der Veränderung der Körperform oder dem Fitnesstraining dienen) unterliegen dem Regelsteuersatz mit 19 %.

V.  Prüfung der Kleinunternehmerregelung

Die für steuerpflichtige Umsätze geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern nicht erhoben, wenn der steuerpflichtige Bruttoumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (Prognose am 1. 1. des Jahres für 50.000 €-Grenze maßgebend). 

VI. Prüfschema


VII. Beispielfälle

Zur Verdeutlichung zwei zusammenfassende Beispiele:

Beispiel 1: Physiotherapeut T erbringt Rückenmassageleistungen an den Privatpatient P mit schwerem Bandscheibenvorfall. P verfügt über keine ärztliche Verordnung bzw. Verordnung vom Heilpraktiker.

Die Massageleistungen sind mangels Verordnung steuerpflichtig. Sie unterliegen dem ermäßigten Steuersatz mit 7 %.

Beispiel 2: Physiotherapeut T erbringt Rückenmassageleistungen an den Kassenpatienten K mit schwerem Bandscheibenvorfall. K verfügt über eine ärztliche Verordnung. Die Krankenkasse übernimmt nicht vollständig die Behandlungskosten.

Die Massageleistungen sind steuerfrei.

Ergänzung Beispiel 2: Auf Empfehlung des T lässt sich K weitere fünf Massagen verabreichen, die er selbst zahlt (sog. Anschlussbehandlungen).

Die auf Empfehlung des T durchgeführten fünf weiteren Massagen sind steuerpflichtig. Sie unterliegen dem ermäßigten Steuersatz mit 7 %.

Hinweis: Bis zum 31.12.2011 waren die Anschlussbehandlungen steuerfrei.

Anlegerrechte gestärkt – Banken müssen Beratungsprotokoll anfertigen

I.    Gesetzesinhalt

In erster Linie sollte das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) aus dem Jahr 1899 modernisiert und an internationale Gepflogenheiten angepasst werden. Dabei wurden die Möglichkeiten, bei denen die Anlegermehrheit über Anleihebedingungen entscheidet, inhaltlich erweitert. Außerdem sorgt das neue Schuldverschreibungsgesetz für mehr Transparenz hinsichtlich der in der Schuldverschreibung versprochenen Leistung, so dass Anleger die Möglichkeit haben, Risiken aus der Schuldverschreibung besser zu erkennen. Dazu wurden die Verfahrensregelungen zur Einberufung, Frist, Bekanntmachung von Gläubigerversammlungen modernisiert und die Anfechtung von Gläubigerbeschlüssen zugelassen. Zusätzlich wurden die Vorschriften, wer stimmberechtigt ist, geändert und die Möglichkeit eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger eingeführt.

Angesichts der Erfahrungen während der Finanzmarktkrise brachte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Februar 2009 den Vorschlag ein, neben der Neufassung des Schuldverschreibungsgesetzes auch Regeln zur Stärkung des Anlegerschutzes einzufügen und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen im Fall einer Falschberatung bei Wertpapiergeschäften zu verbessern.

So wurden durch das „Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung“ neben den Änderungen im SchVG auch Änderungen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Depotgesetzes (DepotG) und in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) notwendig. Das Wertpapierberatungsgeschäft zwischen Banken und Privatanlegern wird dadurch in einigen wichtigen Punkten geändert, um die Position des Anlegers zu stärken.

1. Protokollpflicht

Bankberater müssen zukünftig jedes Kundenberatungsgespräch protokollieren und dem Anleger eine Ausfertigung des Beratungsprotokolls aushändigen. Das Protokoll enthält die Angaben, Wünsche und Risikokriterien des Anlegers, sowie die daraufhin empfohlenen Produkte mit den Gründen, warum diese dem Anleger empfohlen wurden. Außerdem muss es einen Hinweis auf das Rücktrittsrecht enthalten.

Von der Schriftform erhofft sich der Gesetzgeber eine Qualitätsverbesserung bei der Wertpapierberatung und mehr Sorgfalt bei der Auswahl der entsprechenden Produkte. Sie sollen zu den jeweiligen Kundenbedürfnissen und insbesondere zur Risikotragfähigkeit der Anleger passen. Die Änderungen in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (§ 14 Abs. 6 WpDVerOV) legen folgenden Mindestinhalt für das Beratungsprotokoll fest:

  1. den Anlass der Anlageberatung,
  2. die Dauer des Beratungsgesprächs,
  3. die der Beratung zugrunde liegenden Informationen über die persönliche Situation des Kunden, einschließlich der nach § 31 Abs. 4 Satz 1 WpHG einzuholenden Informationen, sowie über die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Anlageberatung sind,
  4. die vom Kunden im Zusammenhang mit der Anlageberatung geäußerten wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung,
  5. die im Verlauf des Beratungsgesprächs erteilten Empfehlungen und die für diese Empfehlungen genannten wesentlichen Gründe.

2.    Aushändigung des Protokolls

Privatanleger können mittels des Beratungsprotokolls nicht nur das Besprochene noch einmal nachvollziehen. Es kann auch als Beweismittel in einem eventuellen Gerichtsverfahren wegen Falschberatung dienen. Geht aus dem Protokoll z. B. hervor, dass der Kunde eine risikolose Anlage sucht, wäre nachweisbar, wenn der Berater dann ein risikobehaftetes Papier empfohlen hat. Sollte das Protokoll lückenhaft oder in sich unschlüssig sein, ist die Bank in der Beweislast, dass sie gleichwohl ordnungsgemäß beraten hat. Durch das neue Gesetz wurde hinter § 34 Abs. 2 WpHG der folgende Absatz eingefügt: „Das Protokoll ist von demjenigen zu unterzeichnen, der die Anlageberatung durchgeführt hat; eine Ausfertigung ist dem Kunden unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung, jedenfalls vor einem auf der Beratung beruhenden Geschäftsabschluss (…) zur Verfügung zu stellen.“ Dies stellt eine Änderung gegenüber der vorherigen Situation dar, in der bereits viele Banken die Beratungsgespräche protokollierten und das Protokoll vom Kunden unterschreiben ließen. Allerdings dienten diese Protokolle oft eher der Bank zur Exkulpierung, als dem Kundeninteresse, denn der Kunde erhielt meistens keine Ausfertigung und hatte daher oft Schwierigkeiten in der Beweisführung bei einer eventuellen Falschberatung.

3. Rücktrittsrecht bei Telefonberatung

Besonders problematisch empfinden Banken das einwöchige Rücktrittsrecht der Anleger, das ebenfalls durch das neue Gesetz eingeführt wurde; denn auch telefonische Beratungsgespräche müssen in einem Protokoll festgehalten werden, das dem Kunden zuzustellen ist. Sofern das Protokoll unrichtig oder unvollständig ist, hat der Kunde ein einwöchiges Rücktrittsrecht. So soll vermieden werden, dass die Bank Finanzprodukte verkauft, die weder dem Wunsch noch dem Risikoprofil des Bankkunden entsprechen. „Der Kunde muss auf das Rücktrittsrecht und die Frist hingewiesen werden“, heißt es im Gesetz. Während Verbraucherschützer hier auf eine deutliche Qualitätsverbesserung insbesondere bei der telefonischen Beratung hoffen, befürchten Banken, dass es Anleger gibt, die das Rücktrittsrecht ausnutzen, indem sie die Börsenentwicklung abwarten, und bei negativer Bewegung einen Rücktrittsgrund suchen. Ein ähnliches Rücktrittsrecht gibt es seit längerem auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, wo die Frist sogar 30 Tage beträgt. Aber anders als die Banken müssen die Versicherungsgesellschaften das Risiko einer negativen Wertentwicklung während dieser Zeit nicht tragen. Insbesondere bei Versicherungsverträgen gegen Einmal-Prämie parken die Versicherer die Anlagesumme im Regelfall für 30 Tage auf einem Tagesgeldkonto, und legen das Geld erst danach in die ausgewählten (eventuell risikobehafteten) Fonds an. Im Wertpapierbereich können die Banken diesen Weg aber nicht nutzen, denn hier müssen sie laut WpHG (§ 31c Abs. 1 Ziff.1 WpHG) eine unverzügliche Orderausführung gewährleisten.

4.    Verlängerte Verjährungpflichten

Neben dem verpflichtenden Beratungsprotokoll und dem einwöchigen Rücktrittsrecht für Anleger wurde durch das neue Gesetz die Verjährungsfrist bei Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung bei Wertpapieranlagen verlängert. Für solche Schadensersatzansprüche galt bisher nach § 37a WpHG eine kurze Sonderverjährungsfrist von drei Jahren nach dem Erwerb des Wertpapiers, über das der Anleger unzureichend aufgeklärt oder beraten worden ist. Zu beobachten war jedoch, dass viele Anleger wegen der langen Laufzeit vieler Finanzanlagen die Auswirkungen einer Fehlberatung oft erst nach Ablauf der verkürzten Sonderverjährungsfrist erkennen konnten.

  • 37a WpHG wird nun durch das neue Gesetz aufgehoben. Damit gilt bei Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung bei Wertpapieranlagen künftig die regelmäßige Verjährung. Das heißt, die Dreijahresfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Anleger von dem Schaden erfahren hat. Unabhängig von der Kenntnis des Anlegers vom Schaden verjähren die Ansprüche jedoch spätestens in zehn Jahren. Damit gibt es eine kenntnisabhängige relative und eine kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist, was im Wertpapierbereich nicht unüblich ist. Zum Hintergrund der Verjährungsfrist bei Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung bei Wertpapieranlagen ist anzumerken, dass die Regelverjährung nach BGB im Jahr 1998 noch bei 30 Jahren lag (§ 195 BGB a. F.). Durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz (3. FFG v. 24. 3. 1998, BGBl 1998 I S. 529) wurde der § 37a WpHG im Jahr 1998 in das WpHG eingefügt und die Verjährung auf drei Jahre verkürzt. Damals wollte der Gesetzgeber das Haftungsrisiko der Anlageberater begrenzen, um ihnen die Empfehlung auch von risikoreicheren und damit renditeträchtigeren Kapitalanlagen zu erleichtern. Diese verjährungsrechtliche Privilegierung des Vertriebs von Wertpapieren wurde nun wieder aufgehoben.
  1. Umsetzung durch die Banken

Die Zeit zwischen Inkrafttreten des Gesetzes (5. 8. 2009) und Umsetzung (1. 1. 2010) betrug knappe fünf Monate, was für die Umsetzung einer solch massiven Änderung im Bankenbereich einen recht kurzen Reaktions-Zeitraum darstellt. Während bei anderen Gesetzen möglicher Weise die Aufsichtsbehörde Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den ersten Monaten noch kulant sein kann, greift bei der Umsetzung des Anlegerschutz-/Schuldverschreibungsgesetz das Zivilrecht, das keine zeitlichen Kulanz-Regelungen ermöglicht. Die Kreditinstitute mussten daher die neuen Regelungen konsequent und rasch umsetzen. Angesichts der erst kurzen Zeit seit Umsetzung müssen die Konsequenzen für die Bankberatung abgewartet werden; einige Tendenzen zeichnen sich jedoch bereits ab.

1. Einschränkungen bei der Telefonberatung

Eine Reaktion wird sein, dass einige Banken die telefonische Beratung einstellen. Durch den Preisdruck in Deutschland ist der Verdienst der Banken bei der Wertpapierberatung und insbesondere bei Depotführung und Wertpapierhandel geschrumpft. Wenn den Banken das Risiko des siebentägigen Rücktrittsrechts zu hoch erscheint, werden sie zukünftig keine Telefonberatung mehr anbieten.

2. Standardisierung des Breitengeschäfts

Natürlich ist zu erwarten, dass das neu eingeführte Beratungsprotokoll vor den Gerichten als Beweismittel eingesetzt werden wird. Daher sind die Banken bemüht, äußerst sorgfältig zu protokollieren. Damit bei der Vielzahl der Anlageberater Formulierungen vermieden werden, die vor Gericht nicht halten, wird es zu einer Standardisierung der Protokolle mittels elektronischer Tools kommen.

Dazu haben Banken Schemata entwickelt, welche Kundentypen welche Wertpapiere empfohlen bekommen dürfen. Als Folge werden sich Berater stärker als bisher auf zentral ausgewählte Fonds und Wertpapiere sowie auf die „Hausmeinung“ konzentrieren. Einerseits beugt dies dem Risiko vor, dass Anleger für sie ungeeignete Produkte empfohlen bekommen; andererseits führt dies zu einer Standardisierung im Breitengeschäft. Dadurch dürfte zum einen das open-architecture-Konzept im Fondsbereich weiter auf dem Rückzug sein; zum anderen wird sich eine wirklich individuelle Beratung im niedrigen bis mittleren Kundensegment eher zur Ausnahme entwickeln. Lediglich für vermögende Anleger werden sich aus Bankensicht der Aufwand und das zusätzliche Risiko einer individuellen Beratung lohnen. Hier dürfte der neue Trend zur Honorarberatung, der in Deutschland langsam erstarkt, weiteren Vorschub leisten. Auf diese Weise kämen auch Nettoprodukte wie ETFs vermehrt zum Einsatz, die derzeit nicht aktiv vermarktet werden, da die Provisionen hier niedrig sind oder es gar keine gibt. Da eine individuelle Beratung auf Honorarbasis kostspielig ist, wird sie eher vom gehobenen Kundensegment in Anspruch genommen.

3. Ausweichen auf Vermögensverwaltung und Execution-Only-Geschäft

Eine weitere Konsequenz wird sein, dass Banken versuchen werden, den gesetzlichen Tatbestand der Anlageberatung zu meiden. Dies kann dadurch erreicht werden, dass sie ihre Kunden in eine – meistens zentral von der Bank geführte – Vermögensverwaltung bringen. Ist für den Anleger einmal das geeignete Risikoprofil gefunden, muss die Bank ihren Kunden nicht bei jeder einzelnen Umschichtung kontaktieren und ein Beratungsprotokoll anfertigen, sondern der Vermögensverwalter kann innerhalb seines Mandats agieren. Vermieden wird die Protokollpflicht auch beim reinen Ausführungsgeschäft („Execution Only“). Direktbanken, über die gut informierte Kunden ihre Wertpapierorders effizient abwickeln können, unterliegen weder Protokollpflicht noch Rücktrittsrecht, da sie im Regelfall nicht beratend tätig sind.

III. Fazit

Die Finanzmarktkrise hat Differenzen zwischen Kunden und deren Wertpapierberatern offengelegt. Einige Banken haben eine so starke Renditeausrichtung verfolgt, dass dies den Aufbau eines gewissen Vertriebsdrucks bei den Kundenberatern zur Folge hatte. Dadurch wurden gelegentlich Anlegern, die eine risikolose Anlage bevorzugen, riskantere Anlagen empfohlen, da diese provisionsträchtiger sind. Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung scheiterten aber oft daran, dass die Wertpapierkunden die fehlerhafte Beratung nicht nachweisen konnten oder die kurze Sonderverjährungsfrist für Wertpapiere bereits abgelaufen war. Durch das Beratungsprotokoll haben Kunden zukünftig ein belastbares Beweisstück in der Hand, und auch die Verjährungsfrist wurde verlängert. Dies ändert allerdings nichts an der Informationsasymmetrie zwischen Berater und Kunden. Ein geschulter Berater wird möglicher Weise Textbausteine verwenden, die vom juristischen Experten der Bank auf ihre Haltbarkeit vor Gericht hin überprüft wurden. Eine solch eingehende Prüfung und Expertenberatung haben Anleger in der Praxis eher selten, so dass die Protokolle tendenziell eher zu Gunsten der Bank formuliert sein werden. Vielmehr wird es vorkommen, dass Anleger in der Kürze der Zeit und mangels juristischer und wertpapierspezifischer Kenntnisse das Beratungsprotokoll mehr oder minder ungeprüft unterschreiben. Grobe Diskrepanzen zwischen dem Wunsch des Anlegers und der gewählten Anlageart lassen sich aber durch das Protokoll zukünftig leichter nachweisen, und auch die verlängerte Verjährungsfrist dient dem Anlegerschutz.

 

Erbschaftsteuerreform: Was passiert, wenn nichts passiert?

Am 17.12.2014 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die im Erbschaft und Schenkungsteuergesetz enthaltenen Verschonungsregelungen bei der Übertragung betrieblichen Vermögens gegen das Grundgesetz verstoßen. Das Gericht hatte dem Gesetzgeber zum einen eine Frist bis zum 30.06.2016 gesetzt, um eine Neuregelung zu finden. Zum anderen hatte es die bisher geltenden Regelungen bis zum Zeitpunkt einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt.

Nach langen Diskussionen hat der Bundestag am 24.06.2016 eine Gesetzesänderung verabschiedet. Diese wurde aber vom Bundesrat gestoppt und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Wann dort eine Lösung gefunden wird, ist derzeit noch völlig offen. Die vom BVerfG gesetzte Frist ist jedenfalls abgelaufen.

Daher stellt sich vielen die Frage, welches Recht nun eigentlich gilt, bis eine gesetzliche Neuregelung gefunden ist. Hierzu hat das BVerfG – wie zuvor auch schon das Bundesfinanzministerium und die obersten Finanzbehörden der Länder – mitgeteilt, dass die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften weiterhin anzuwenden sind. Außerdem hat es angekündigt, dass es sich, da die geforderte Gesetzesänderung immer noch nicht vorliegt, Ende September erneut mit dem Verfahren beschäftigen wird.

Ganz praktisch stellt sich außerdem die Frage, ob die im Vermittlungsausschuss zu erarbeitende Neuregelung rückwirkend zum 01.07.2016 in Kraft treten wird oder nicht. Sie beschäftigt vor allem diejenigen, die im Zeitraum vom 01.07.2016 bis zur Verkündung der Neuregelung eine Betriebsübergabe planen. Leider müssen diese Personen derzeit mit der Ungewissheit darüber leben, welche Verschonungsregelungen für ihre Übergabe anzuwenden sein werden.

Modernisierung des Besteuerungsverfahrens: Was sich bei der Abgabe der Steuererklärung ändert

Noch vor der parlamentarischen Sommerpause hat der Gesetzgeber das „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ verabschiedet. Dieses sieht sowohl für die Finanzverwaltung als auch für den Steuerzahler einige Änderungen vor.

Frist für die Abgabe der Steuererklärung

Für Sie als Steuerzahler besonders interessant dürften die Änderungen bei der Frist für die Abgabe der Steuererklärung sein. Wird die Erklärung von uns erstellt, muss sie künftig erst zwei Monate später als bisher, also bis zum 28.02. des Zweitfolgejahres, beim Finanzamt eingegangen sein. Andernfalls setzt das Finanzamt ab 2019 sofort Verspätungszuschläge fest – einen Ermessensspielraum hat es dann nicht mehr. So sind bei einer verspätet abgegebenen Einkommensteuererklärung beispielsweise 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens aber 25 EUR je angefangenen Monat zu zahlen.

Eine erfreuliche Ausnahme von der zwingenden Festsetzung der Verspätungszuschläge sieht das Gesetz für Altersrentner vor, die in der Vergangenheit – oft aus Unkenntnis – keine Steuererklärung abgegeben haben. Fordert das Finanzamt sie jetzt auf, eine Steuererklärung einzureichen, wird erst ab dem Ende der vom Finanzamt gesetzten Frist ein Verspätungszuschlag festgesetzt. Geregelt wurde übrigens auch, dass das Finanzamt die Steuererklärung vorab anfordern darf. Wer beispielsweise seine Steuererklärungen früher nicht oder nur verspätet abgegeben hat, muss damit rechnen, dass seine Frist künftig schon vor dem 28.02. des Zweitfolgejahres endet. Auch bei hohen Nachzahlungen in der Vergangenheit oder bei einer bevorstehenden Betriebsprüfung kann das Finanzamt die Steuererklärung früher anfordern.

Belege müssen nicht mehr zwingend eingereicht werden Spendenbescheinigungen und Steuerbescheinigungen über Kapitalerträge müssen Sie künftig nicht mehr mit der Steuererklärung einreichen, sondern nur noch dann, wenn das Finanzamt dies verlangt. Die Steuerbescheinigung über Kapitalerträge können Sie ab 2017 auch in elektronischer Form von der Bank anfordern.

Wichtig: Bewahren Sie die Belege trotzdem mindestens so lange auf, bis das Veranlagungsverfahren abgeschlossen ist.

Nachweise zur Geltendmachung einer Behinderung müssen nur noch bei der erstmaligen Antragstellung und bei einer Änderung der Verhältnisse vorgelegt werden. Diese sollen künftig ebenfalls in elektronischer Form von der für die Feststellung einer Behinderung zuständigen Stelle an das Finanzamt übermittelt werden.

Was sich sonst noch ändert

  • Anstelle von Sachbearbeitern werden hauptsächlich Computer die Steuererklärungen prüfen. Hierzu werden Risikomanagementsysteme als Unterstützung eingesetzt.
  • Statt des guten alten Steuerbescheids auf Papier sollen künftig vermehrt elektronische Bescheide übersandt werden. Hierfür müssen Sie sich (oder wir uns als Ihr Steuerberater) bei der Finanzverwaltung anmelden und sich einverstanden erklären. Der elektronische ersetzt dann den Papierbescheid.
  • Neben der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens gibt es eine erfreuliche Änderung bei der Ermittlung der steuerlichen Herstellungskosten. Hier dürfen künftig angemessene Teile der allgemeinen Verwaltungskosten sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung mit einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Dieses Wahlrecht muss allerdings in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz ausgeübt werden.

Diese Änderungen sind größtenteils ab 2018 erstmals anzuwenden.

Pflichtveranlagung: Wann Arbeitnehmer eine Einkommensteuererklärung abgeben müssen

Alljährlich zu Jahresbeginn regeln die obersten Finanzbehörden der Länder, bis wann die Einkommensteuererklärungen des Vorjahres abgegeben werden müssen. Für die Steuererklärungen 2015 von steuerlich nicht beratenen Bürgern haben die Behörden als Abgabefrist (erneut) den 31.05.2016 bestimmt. Steuerlich beratene Bürger dürfen sich mit ihrer Erklärungsabgabe für 2015 bis zum 31.12.2016 Zeit lassen.

Hinweis: Das Bundesland Hessen zeigt sich bei beratenen Steuerbürgern als einziges Bundesland großzügiger und hat in einem eigenen Fristenerlass geregelt, dass sich die Abgabefrist bei ihnen allgemein auf den 28.02.2017 verlängert. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass sie die Steuererklärungen des Vorjahres fristgemäß abgegeben haben.

Für viele Arbeitnehmer sind diese Fristen allerdings bedeutungslos, weil sie nur für Bürger gelten, die zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet sind. Zu diesen Pflichtveranlagungsfällen zählen Arbeitnehmer beispielsweise, wenn

  •  sie positive Einkünfte aus der Vermietung einer Wohnung oder ausländische Kapitaleinkünfte von mehr als 410 EUR bezogen haben,
  • sie Lohnersatzleistungen wie Eltern-, Kurzarbeiter-, Arbeitslosen- oder Krankengeld von mehr als 410 EUR bezogen haben,
  • bei einem der zusammenveranlagten Ehe- oder Lebenspartner die Steuerklasse V, VI oder IV mit Faktor angewandt worden ist oder
  • bei ihnen ein Freibetrag in den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen eingetragen wurde (z.B. für Verluste aus Vermietung und Verpachtung). Ein eingetragener Behindertenpauschbetrag führt nicht zur Pflichtveranlagung.Fallen Arbeitnehmer nicht unter diese Fallgruppen, können sie in der Regel als sogenannte Antragsveranlager freiwillig eine Einkommensteuererklärung abgeben, um sich zu viel bezahlte Lohnsteuer zurückzuholen. Sie müssen bei der Erklärungsabgabe lediglich die vierjährige Festsetzungsfrist einhalten; Einkommensteuererklärungen 2012 können von ihnen daher noch bis zum 31.12.2016 eingereicht werden.Hinweis: Die freiwillige Abgabe einer Einkommensteuererklärung lohnt in der Regel, wenn die Werbungskosten des Arbeitnehmers über dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 EUR liegen, Kirchensteuer vom Arbeitslohn einbehalten wurde, Spenden geflossen sind oder die außergewöhnlichen Belastungen die zumutbare Belastung übersteigen. In diesen Fällen lässt sich mit der Erklärungsabgabe häufig eine Steuererstattung erzielen.

Sofortabzug eines Disagios: 5-%-Grenze ist nicht in Stein gemeißelt

Wollen Vermieter den Nominalzins ihres Vermietungsdarlehens und die monatlichen Kreditraten möglichst gering halten, können sie mit ihrer Bank den Einbehalt eines sogenannten Disagios oder Damnums vereinbaren, so dass sie einen Teil der Zinsen im Voraus bezahlen.

Hinweis: Steuerlicher Vorteil ist, dass ein Disagio bzw. Damnum sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften abgezogen werden darf, sofern es marktüblich ist; hiervon geht die Finanzverwaltung aus, wenn das Disagio bzw. Damnum nicht mehr als 5 % der Darlehenssumme beträgt (bei Darlehen mit Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren).

Nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ist diese 5-%-Grenze jedoch nicht unverrückbar. Geklagt hatte ein Vermieter, der bei der Finanzierung eines Mehrfamilienhauses mit seiner Geschäftsbank den Einbehalt eines 10%igen Disagios vereinbart hatte. Finanzamt und Finanzgericht (FG) hatten nur 5 % als sofort abziehbare Werbungskosten anerkannt und den Rest des Disagios über den Zinsfestschreibungszeitraum von zehn Jahren verteilt.

Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und erklärte, dass die Marktüblichkeit einzelfallabhängig anhand der aktuellen Verhältnisse auf dem Kreditmarkt und der Höhe des Disagios im Verhältnis zur Höhe und Laufzeit des Kredits geprüft werden muss. Wird eine Zins- und Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, spricht dies für eine Marktüblichkeit. Die 5-%-Grenze der Finanzverwaltung trifft nach Gerichtsmeinung keine Aussage für Fälle, in denen ein Disagio oberhalb dieser Schwelle vereinbart worden ist.

Hinweis: Das Finanzgericht muss den Fall neu aufrollen und anhand der Rechtsgrundsätze des BFH entscheiden, ob die strittigen Zins- und Disagiovereinbarungen marktüblich sind. Vermieter, denen vom Finanzamt ein Sofortabzug ihres Disagios wegen überschrittener 5-%-Grenze verwehrt worden ist, sollten unsere steuerfachkundige Beratung einholen und prüfen lassen, ob sich aufgrund des BFH-Urteils auch für den eigenen Fall ein Sofortabzug des Disagios durchsetzen lässt.

Häusliches Arbeitszimmer: Kein anteiliger Kostenabzug für Küche, Bad und Flur

Wer von zuhause aus arbeitet, kann die Kosten für sein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen, wenn

  • der Raum der Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit ist (Komplettabzug) oder
  • ihm für die dort ausgeübte betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (beschränkter Abzug bis 1.250 EUR pro Jahr).

Nach neuerer Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt dieser Raumkostenabzug aber voraus, dass das häusliche Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich bzw. beruflich genutzt wird. Eine nicht nur geringfügige private Mitnutzung des Raumes schließt einen Kostenabzug komplett aus – selbst ein anteiliger Kostenabzug ist dann nicht möglich. Das hat zur Folge, dass beispielsweise Arbeitsecken oder Durchgangszimmer aufgrund der privaten Mitnutzung des Raumes steuerlich nicht als abziehbares Arbeitszimmer anerkannt werden.

Anknüpfend an diese Rechtsprechung hat der BFH entschieden, dass auch die Kosten für Nebenräume der Privatwohnung wie Küche, Bad und Flur nicht anteilig abgesetzt werden können. Geklagt hatte eine selbständige Lebensberaterin, die ein steuerlich anerkanntes häusliches Arbeitszimmer unterhalten hatte, der aber vom Finanzamt ein zusätzlicher hälftiger Betriebsausgabenabzug für Küche, Bad und Flur der Privatwohnung verwehrt worden war. Der BFH bestätigte diese Entscheidung mit dem Argument, dass auch diese Nebenräume nicht (nahezu) ausschließlich betrieblich genutzt wurden.

Hinweis: Die Kosten für gemischt (privat und betrieblich) genutzte Nebenräume der Privatwohnung können also nicht steuermindernd abgezogen werden. Anders ist der Fall aber gelagert, wenn der Erwerbstätige sich ein außerhäusliches Arbeitszimmer – beispielsweise in einer separat angemieteten Arbeitswohnung – eingerichtet hat. In diesem Fall sind die dortigen Nebenräume nicht in die Privatwohnung eingebunden und können daher im Paket mit dem eigentlichen Arbeitsraum abgesetzt werden.