Umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen der Physiotherapeuten und staatlich geprüften Masseure

I. Welche Leistungen sind steuerfrei?

Um als Physiotherapeut oder staatlich geprüfter Masseur umsatzsteuerfreie Behandlungen erbringen zu können, muss es sich bei der Leistung um eine Heilbehandlung handeln, die von einem Arzt oder Heilpraktiker verordnet wurde oder die im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht wird.

Hinweis: Heilbehandlungen sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Heilberufliche Leistungen sind daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

  1. Welche Leistungen sind nicht begünstigt?

1.  Wellnessprogramme

Eine bloße Maßnahme zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens bzw. ein Wellnessprogramm ist keine Heilbehandlung, selbst wenn sie von Angehörigen eines Heilberufs erbracht wird. Im Grenzbereich zwischen möglicher Heilbehandlung und Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens greift § 4 Nr. 14 UStG bei Maßnahmen ein, die aufgrund ärztlicher Indikation nach ärztlicher Verordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht werden. Wird eine Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, findet die Steuerbefreiung keine Anwendung.

2.   Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V

Auch nicht begünstigt sind Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheiten von Gesundheitschancen erbringen sollen. Hieran ändert auch eine Verordnung nichts.

III. Formale Voraussetzungen an die Steuerbefreiung und Nachweispflichten

Als ärztliche Verordnung gilt im Allgemeinen sowohl das Kassenrezept als auch das Privatrezept (d.h. nicht nur „grünes“, sondern auch „rotes“ Rezept begünstigt). Eine Behandlungsempfehlung durch einen Arzt oder Heilpraktiker, z.B. bei Antritt des Aufenthalts in einem „Kur“-Hotel, reicht nicht aus.

Hinweis: Die Finanzverwaltung gestattet aber für vor dem 1. 1. 2012 erbrachte Anschlussbehandlungen ohne erneute Verordnung, diese steuerfrei zu belassen.

Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit sind in jedem Einzelfall vom Unternehmer nachzuweisen. Kann der Nachweis nicht erbracht werden, sind die Umsätze zwingend steuerpflichtig (Beweislast). Beruft sich der Unternehmer auf die „ärztliche Schweigepflicht“, sind die Umsätze steuerpflichtig.

IV. Welcher Steuersatz kommt zur Anwendung?

Findet die Steuerbefreiung keine Anwendung, kann der ermäßigte Steuersatz mit 7 %zur Anwendung kommen, da zu den begünstigten ermäßigt zu besteuernden Leistungen Heilmassagen und Heilgymnastik zählen. Ein bestimmter Heilzweck ist bei den typischen Physiotherapieleistungen, die von den Krankenkassen grundsätzlich als Heilmittel anerkannt sind, nicht nachzuweisen.

Reine Wellness-Anwendungen (z. B. Thai-Massagen, Hot Stone, Lomi-Lomi) und andere nicht verordnungsfähige Leistungen (z. B. Ganzkörpermassagen, Maßnahmen, die der Veränderung der Körperform oder dem Fitnesstraining dienen) unterliegen dem Regelsteuersatz mit 19 %.

V.  Prüfung der Kleinunternehmerregelung

Die für steuerpflichtige Umsätze geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern nicht erhoben, wenn der steuerpflichtige Bruttoumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (Prognose am 1. 1. des Jahres für 50.000 €-Grenze maßgebend). 

VI. Prüfschema


VII. Beispielfälle

Zur Verdeutlichung zwei zusammenfassende Beispiele:

Beispiel 1: Physiotherapeut T erbringt Rückenmassageleistungen an den Privatpatient P mit schwerem Bandscheibenvorfall. P verfügt über keine ärztliche Verordnung bzw. Verordnung vom Heilpraktiker.

Die Massageleistungen sind mangels Verordnung steuerpflichtig. Sie unterliegen dem ermäßigten Steuersatz mit 7 %.

Beispiel 2: Physiotherapeut T erbringt Rückenmassageleistungen an den Kassenpatienten K mit schwerem Bandscheibenvorfall. K verfügt über eine ärztliche Verordnung. Die Krankenkasse übernimmt nicht vollständig die Behandlungskosten.

Die Massageleistungen sind steuerfrei.

Ergänzung Beispiel 2: Auf Empfehlung des T lässt sich K weitere fünf Massagen verabreichen, die er selbst zahlt (sog. Anschlussbehandlungen).

Die auf Empfehlung des T durchgeführten fünf weiteren Massagen sind steuerpflichtig. Sie unterliegen dem ermäßigten Steuersatz mit 7 %.

Hinweis: Bis zum 31.12.2011 waren die Anschlussbehandlungen steuerfrei.